Splitters „Walküre“ entführt uns in das Reich Midgard. Gestalterisch und inhaltlich immer dicht an der mythologischen Vorlage orientiert erwartet den Leser eine unterhaltsame und authentische Reise in eine längst vergessene Welt voll echter Männer. Die nur eben alle heißen wie Ikea-Regale oder Knäckebrot-Sorten. Einen Makel braucht jeder.

Häuptlingssohn Alrik ist ein Baum von einem Mann. Mit einer Mischung aus Stolz und Sorge beobachtet der Vater des jungen Wikingers die jähzornige Entschlossenheit seines Stammhalters. Als eines Tages ein nicht enden wollender Winter das kriegerische Volk heimsucht ruht nun alle Hoffnung des Stammes auf ihm.

Mit einem kleinen Stab seiner engsten Vertrauten zieht Alrik los, um die in Midgard gestrandete Walküre Gunhild und ihren Geliebten, den Gott Hermod um Hilfe zu bitten. Obwohl Odin die beiden wegen ihrer verbotenen Liebschaft einst hierher verbannte sollen die beiden Alrik nun nach Walhalla führen, um dort Hilfe zu erbitten oder sogar zu erzwingen. Lieber will der stolze Wikinger durch die Hand eines leibhaftigen Gottes sterben, als im ewigen Eis zu krepieren.

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Schon als kleiner Junge habe ich alles an mythologischen Geschichten verschlungen. Meine erste Begegnung mit der nordischen muss wohl der auf einer Comicvorlage basierende, großartige Trickfilm „Walhalla“ gewesen sein. Die düstere und magische Sagenwelt des hohen Nordens ist auch heute noch eine ideale Bühne für neue Geschichten und Interpretationen.

Autor Sylvain Cordurié interpretiert bei seinem Ansatz sehr wenig neu und zeigt uns die Riesen, Zwerge und Trolle aus den neun Reichen oft genau so, wie wir sie seit Jahrhunderten aus Illustrationen kennen. Der Stil von Künstler Drazen Kovacevic sorgt dennoch für ein frisches Erlebnis und ist dem fantastischen Nic Klein (Drifter) nicht ganz unähnlich. Dabei werden nur recht wenige, geschickt platzierte Tuschlinien gesetzt. Ein Großteil der Konturen wird durch Farben und Farbschattierungen herausgearbeitet und abschließend durch den gekonnten Einsatz von Licht und Schatten räumliche Tiefe erzeugt. Das sieht insgesamt nicht ganz so opulent und detailverliebt wie bei „Drifter“ aus, schafft aber einen ebenfalls sehr hochwertigen Look, der das Beste aus amerikanischem und europäischem Stil verbindet.

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Die großen Design-Errungenschaften von „Walküre“ finden sich im Volk der Asen, der Götter von Walhalla. Anders als in unzähligen anderen Comics oder Filmen sehen Odin und seine Kinder hier nicht einfach wie besonders kräftige und prunkvolle Menschen aus. Die übermenschlich großen Krieger sprechen kein Wort und sind vom Scheitel bis zur Sohle mit klobigen, furchteinflößenden Rüstungen und Helmen verdeckt. Kein Auge, kein Quadratzentimeter Haut ist zu sehen. Diese Interpretation verschafft den Herren Walhallas ein ungeheuer bedrohliches und mysteriöses Auftreten. Besonders gut gefallen hat mir auch das Design von Hermods magischem Umhang, dem „Gewirke“, das ähnlich wie Marvels Symbionten ein waberndes, gespenstisches Eigenleben führt. Dadurch, dass der göttliche Mantel im kompletten Gegensatz zum Rest der Bilder ausschließlich aus pechschwarzen Tuschlinien und -flächen besteht entsteht ein herrlicher Kontrast und einige – pardon – verdammt geile Bilder.

Inhaltlich wird solide Erzählkunst geboten, die Stärken der „Walküre“ liegen in ihrer visuellen Inszenierung und der extrem liebevollen, nahen Orientierung an den Erzählungen der Edda. Vermutlich wurden die 112 Seiten des „Splitter Double“ direkt aus dem Lebensbaum Yggdrasil geschnitten. Wer nach diesem Buch keine Lust auf Met hat, der mag offensichtlich keine Wikinger und muss halt die Schlümpfe lesen. Praktisch, die gibt’s beim Splitter Sub-Label „Toonfisch“.

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  • Autor – Sylvain Cordurié
  • Zeichner – Drazen Kovacevic
  • Hardcover
  • 112 Seiten
  • Preis – 22,80€
  • ISBN 978-3-95839-073-7
  • Erschienen am 01.08.2015

Rezensionsexemplar – Hardcover, zur Verfügung gestellt von Splitter – Herzlichen Dank!

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