Stellen wir uns einmal kurz einen Freizeitpark vor. So wie Disney World, nur voller Vampire, Zombies und Werwölfe. Sagen wir er heißt… Zombillennium. Was wäre nun, wenn die Statisten und Mitarbeiter dieses Parks gar keine Kostüme tragen würden, sondern tatsächliche, leibhaftige Kreaturen der Nacht wären? Wenn sie durch einen Vertrag mit einem mysteriösen Dämon an diesen Park gebunden wären und die Ewigkeit im Dienste des Parks verrichten müssten…?

Aurelian Zahner hat einen richtig schlechten Tag. Nicht bloß einen dieser Tage, an dem morgens nicht die Zahnpasta auf der Bürste landen will und man verschwitzt und abgehetzt den Bus verpasst. Nein, Aurelian Zahner wurde von seiner Frau betrogen. Mit ihrem Tai-Chi-Lehrer. Als sei das noch nicht entwürdigend genug, vereitelt die junge Hexe Gretchen seinen versuchten Raubüberfall, indem sie seine Pistole in eine Banane verwandelt. Gebrochen und verwirrt verlässt der junge Mann mit hängendem Kopf den Beinahe-Tatort, um wenige Meter davor von einem fahrenden Auto erfasst zu werden.

Die Passagiere des Fahrzeugs sind Skelett Sirius, Mumie Aton und Vampir Francis – Allesamt Mitarbeiter des „Zombillennium“-Parks. Durch eine Mischung aus Mitleid und völliger Überforderung entscheidet sich Parkdirektor Francis das Unfallopfer zu beißen. Der frischgebackene Jungvampir soll nun der neue Zuckerwatte-Verkäufer im „Zombillennium“ werden, ein ungeliebter Posten, für den sich im Moment ansonsten kein gewillter Bewerber finden lässt…

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Mit den bisher erschienenen drei Bänden von „Zombillennium“ erschafft Arthur de Pins in zeichnerischer und schriftstellerischer Personalunion eine lebendige, bizarr-komische Welt, die keinen Vergleich fürchten oder scheuen muss. Die Leichtigkeit mit der de Pins das Medium Comic nicht als günstige Alternative zu einer teuren Filmproduktion missbraucht, sondern Bildsequenzen nutzt, um klassischen Cartoon-Humor in ein modernes Gewand zu kleiden ist schlichtweg beeindruckend. Sein überwiegend konturloser und sehr beleuchtungsarmer Stil erinnert mich mit seiner entsättigten Farbpalette an aufwändige Collagen aus Tonkarton. Der vereinzelte, gezielte Einsatz digitaler Effekte und Fotomontagen setzt Akzente ohne seine einzigartige Bildsprache je zu unterbrechen.

Während sich der erste Band noch auf die Vorstellung der Parkbewohner und das herrlich bescheuerte Regelwerk des verfluchten Horror-Parks konzentriert, zieht de Pins mit fortlaufender Nummerierung seiner Grusel-Satire die dramaturgischen Stellschrauben fest an. Dabei bildet der Alltag der Mitarbeiter des teuflischen Unterhaltungsunternehmens eine scharfsinnige Metapher auf die zermürbenden Tretmühlen, die eine Anstellung als Arbeitnehmer heute oft bedeutet. Neben gleich mehreren Gewerkschaften (mein Favorit sind die „Working Dead“) ist vor allem der in Band drei erstmals auftauchende Antagonist „Jaggar“ ein Sinnbild für kraftraubende Arbeitsverhältnisse in ausbeuterischen Großkonzernen. Der eiskalte und bösartige, aber stets gut gekleidete und effiziente Widerling ist ein vortreffliches Sinnbild für einen unmoralischen, blutsaugenden Manager.

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Aber „Zombillennium“ droht nie in sozialkritischer Ernsthaftigkeit zu versanden, sondern bietet charmant klassischen Comic-Humor, der durch zahllose. popkulturelle Referenzen geschickt in der Moderne verankert wird. Als Identifikationsfigur dient dabei neben Neuankömmling Aurelian die nörgelige Gothic-Hexe Gretchen. Die gleichgültige, dauergenervte Attitüde der jungen Dame wird optisch immer wieder durch Bandshirts von z.B. den Trash-Metallern „Slayer“ oder den Industrial-Legenden „Nine Inch Nails“ unterstützt. Dass Gretchen in einem Rückblick auf ihre Studienzeit von einem an Potenzproblemen gescheiterten Stelldichein mit einem gewissen Zauberer namens „Harry“ berichtet, ist die Kirsche auf dem Sahnehäubchen der augenzwinkernden Seitenhiebe.

„Zombillennium“ ist ein aberwitziger, künstlerisch extrem eigenständiger Spaß. Wer mit der dunklen Seite der alternativen Jugendkultur in Berührung gekommen ist, wird dafür zudem mit unzähligen Insidergags belohnt. Wer hätte zum Beispiel gedacht, dass „The Cure“-Sänge Robert Smith Gretchens Erzeuger ist? Arthur de Pins Abgesang auf aussichtslose Arbeitsverhältnisse verhindert, dass seine mit herrlichem Humor zum bersten gefüllte Geschichte zum Klamauk verkommt und liefert Denkanstöße ohne den Leser wieder aus der kunstvoll erbauten Fantasiewelt zu entführen. Ich freue mich sehr, dass gleich mein erstes Review zu einem Egmont-Ehapa-Titel mich auf einen extrem originellen und unterhaltsamen Comic aufmerksam gemacht hat. Dass die drei Bände als gebundene Alben mit schicken Glanzlackakzenten zu einem absolut fairen Preis von jeweils 15,00€ angeboten werden lässt auch die letzte mentale Hürde fallen. „Zombillennium“ ist teuflisch gut und eine unbedingte Kaufempfehlung für alle Geschöpfe der Nacht, oder all jene, die gern über sie lachen.

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  • Titel – Zombillennium 01 – Gretchen
  • Autor & Künstler – Arthur de Pins
  • Einband – Hardcover
  • Seiten – 48
  • ISBN –  978-3-7704-3662-0
  • Preis – 15,00€
  • Titel – Zombillennium 02 – Humankapital
  • Autor & Künstler –  Arthur de Pins
  • Einband – Hardcover
  • Seiten –  56
  • ISBN –  978-3-7704-3663-7
  • Preis – 15,00€
  • Titel – Zombillennium 03 – Kontrollfreaks
  • Autor & Künstler –  Arthur de Pins
  • Einband – Hardcover
  • Seiten –  48
  • ISBN: 978-3-7704-3751-1
  • Preis – 15,00€

Rezensionsmuster – Hardcover, zur Verfügung gestellt von Egmont-Ehapa – Herzlichen Dank!

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