Der wirklich atemberaubend gut aussehende, erste Band von „Nonplayer“ wird leider noch etwas länger auf einen Nachfolger warten müssen. Das Herzensprojekt von Nate Simpson, hauptberuflich Designer für Videospiele und glücklicher Familienvater, betreut der Amerikaner nur in fest dafür eingeteilten, schmalen Zeitfenstern. Das zweite der im Band abgedruckten Hefte kostete Nate stolze vier Jahre. Kein Wunder, wenn man die unglaubliche Liebe zum Detail einmal genau betrachtet… 

In einer vielleicht gar nicht so fremden und abwegigen Zukunft spielen Milliarden von Menschen unterschiedlichster Herkunft ein Online-Rollenspiel mittels sogenannter „Earhooks“. Das sind neurale Interfaces, die wie ein Hörgerät hinter das Ohr geklemmt werden. Auf diese Art und Weise können die Spieler nicht nur der tristen Realität der technisierten, schmutzigen Großstädte entkommen, sondern gänzlich ein Bewohner der virtuellen Welt werden. Die Simulation des Fantasyreiches findet direkt im Gehirn des Nutzers statt und gestattet ihm genau wie sein virtuelles Abbild zu sehen und zu fühlen.

Wer bei der Arbeit oder in der Schule nicht völlig auf die geliebten Illusionen verzichten möchten kann sich auch sogenannte ‚Skins“ für die reale Welt herunterladen. So muss Spielerin Dana ihren Job als Foodtaxi-Fahrerin nicht in einer tristen Betonwüste verrichten, sondern schwebt stattdessen durch eine malerische Fantasywelt. Was genau hat es aber mit den „Nonplayern“ auf sich, den komplett künstlichen Charakteren, die nicht von einem Spiel gesteuert werden? Eine eigens dafür ins Leben gerufene Behörde soll verhindern, dass diese digitalen Statisten echte Gefühle und ein tatsächliches Bewusstsein entwickeln. Obwohl technisch möglich, wäre das ein unverzeihlicher, ethischer Fehlgriff. Die Bewohner der künstlichen Welt müssten die zahlreichen Tode und Verletzungen tatsächlich erleiden. Sie würden echten Schmerz empfinden, wenn Spieler gegen sie kämpfen. Und sie würden reale Trauer beim Verlust ihrer Gefährten und Familien empfinden.

Nate Simpsons erster Comic beschäftigt sich mit Themen, die in der Science Fiction nicht wirklich neu sind. So erinnert „Nonplayer“ konzeptionell oft an David Cronenbergs Film „eXistenZ“ von 1999. Zwar thematisiert Simpson ebenfalls neurale Interfaces und die Sucht nach der ständigen Realitätsflucht, sein Fokus ist aber ein völlig anderer. Die Erschaffung immer komplexerer künstlicher Intelligenzen und emotionaler Reaktion hat mit Apples „Siri“ im Massenmarkt bereits vor einigen Jahren tatsächlich begonnen. Bei der rasenden Geschwindigkeit, mit der Technologie sich entwickelt, können wir nur erahnen, wie realistisch die Kommunikation mit einer künstlichen Intelligenz in zehn oder zwanzig Jahren sein könnte.

„Nonplayer“ eskaliert diese Idee gekonnt und fesselt mit viel dynamischer Action, glaubhaften Charakteren und einer ganz unverwechselbaren Atmosphäre, die vor allem dem dekadenten, sichtlich von Moebius inspiriertem Detailreichtum der Artworks zu verdanken ist. „Nonplayer“ ist zudem ein eindrucksvolles Beispiel für perfekte, stimmungsvolle Digitalkoloration, die ich in dieser Qualität und Sorgfalt bislang nur bei Miquel Montlló (Warship Jolly Roger) bewundern durfte.

Kein Wunder, dass sich Warner bereits 2012 die Filmrechte an Nate Simpsons „Nonplayer“ sicherte. Der bildschöne Scifi-Fantasy-Mix begeistert mit seiner intelligenten, vielschichten Story und ist gleichzeitig eine Liebeserklärung an und ein Abgesang auf die Generation „World of Warcraft“. Bleibt zu hoffen, dass die Realisierung der Verfilmung möglichst bald in Angriff genommen wird, um „Nonplayer“ und seinem Künstler die verdiente Aufmerksamkeit zu sichern. Ich will mehr.

  • Autor & Zeichner – Nate Simpson
  • Einband – Hardcover
  • Seiten – 64
  • Band – 1 von 3
  • ISBN 978-3-95839-095-9
  • Erschienen am – 01.10.2015

Rezensionsmuster – Hardcover, zur Verfügung gestellt von Splitter – Herzlichen Dank!