Lang konnte Sebastian die andere Hälfte seiner gespaltenen Persönlichkeit, Tyler Durden, nur durch einen hoch dosierten Psychopharmaka-Cocktail unterdrücken. Doch ohne Tylers anarchische Wildheit bestimmen Leidenschaftslosigkeit und Selbstzweifel Sebastians eintöniges Leben als konstant überforderter Familienvater. Doch seine Ehefrau Marla sehnt sich nach dem ruchlosen und unzähmbaren Tyler und seinen deutlich überzeugenderen, sexuellen Qualitäten. In der Hoffnung gemeinsam zurück zu den exzessiven und kompromisslosen Wurzeln ihrer Beziehung zu finden, beschließt Marla heimlich Sebastians Medikamenten-Dosierung zu reduzieren. Eine folgenschwere Entscheidung, die den charismatischen Psychopathen die Oberhand gewinnen lässt, um die Welt erneut in loderndes Chaos zu stürzen…

„Fight Club 2“ stammt erneut aus der Feder von Chuck Palahniuk, seines Zeichens in erster Linie Romanautor, der sich bereits für die ursprüngliche Buchfassung des Vorgängers verantwortlich zeigte. Auf der basierte auch die Verfilmung mit Brad Pitt und Edward Norton, die völlig zurecht bis heute als einer der besten und wichtigsten Hollywood-Filme seiner Generation gefeiert wird. Der flackernde, verwirrende und sarkastische Abgesang auf eine Gesellschaft voller gleichgeschalteter Ikea-Nestbauer und Mitläufer ist bis heute ein wichtiges, künstlerisches Symbol für den Widerstand gegen die endgültige Gleichschaltung.

Im ersten von zwei Hardcover-Bänden geht es nun natürlich nicht mehr um die späte und aufregende Erkenntnis, dass der im ersten Teil schlicht „der Erzähler“ genannte Hauptcharakter und sein durchgeknallter Prügel-Partner Tyler Durden ein und die selbe Person sind. Es geht um den Kampf dieser beiden Persönlichkeiten, die im Grunde zwei archaische Bedürfnisse symbolisieren. Den Wunsch nach Struktur und Sicherheit und natürlich auch das Verlangen nach Extase, Macht, vielleicht sogar ein bisschen Chaos. Ein klassisches „Jackyl und Hyde“-Szenario. Yin und Yang.

Die Entscheidung Cameron Stewarts (Deadpool, Batgirl) eigentlich sehr cartoonigen, freundlichen Zeichenstil für die Inszenierung des von Fans schon lang herbeigesehnten Sequels des düsteren und verstörenden Werkes zu nutzen war brillant. Zum einen verriet Autor Palahniuk im Interview, dass er diese Stilisierung als Werkzeug benötigte, um eine gewisse Distanz zu seinen eigentlich sehr bedrückenden und schweren Themen aufzubauen. Etwa wie das an Progerie leidende kleine Mädchen, das gemeinsam mit Marla zur emotionalen Kompensation Sightseeing und Zielübungen in Kriegsgebieten betreibt. Selbstverständlich finanziert von der „Make-A-Whish-Foundation“. Zum anderen aber auch, weil insbesondere Tylers überzeichneter Wahnsinn ihn zum perfekten Comic-Charakter macht. Es fühlt sich an, als hätte „Fight Club“ eigentlich schon immer ein Comic sein müssen.

Das wichtige Element der Publikumsinteraktion realisieren Palahniuk und Stewart durch fotorealistische Elemente wie Pillen, Blütenblätter oder andere der Handlung entnommenen Deko-Elemente, welche die Sicht auf besonders interessante Worte oder Gesichter verbergen. „Den Leser ärgern“ nennt der Autor diese bereits im Vorgänger erprobte Technik der Provokation und Einbindung seines Publikums.

Die Comic-Fortsetzung des legendären Romans und seiner Filmadaption versprüht genau den gleichen rohen, anarchischen Charme wie sein Vorgänger und nutzt die Möglichkeiten des neu erschlossenen Mediums Comic konsequent. Selbst an die beliebten Meta-Botschaften wurde gedacht, Palahniuk selbst kurzerhand als Nebencharakter integriert oder eine besonders brutale Kampfszene zynischer Weise mit dem Siegel des „Comics Code“ versehen, einer Einrichtung, die jahrzehntelang die kreative Freiheit vieler US-Künstler durch teils lächerlich überzogene Zensur-Maßnahmen stark einschränkte. „Fight Club 2“ ist ein dreckiges, hartes und wildes Stück Popart zum lesen und genießen. Und mindestens genau so mutig und stylisch präsentiert. Wir sind endlich wieder der singende, tanzende Abschaum der Welt.

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