Die „Fables“ genannten Bewohner des Märchenreiches waren einst gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Angekommen in unserer Welt ließen sich jene, die von den Menschen unerkannt blieben in „Fabletown“ nieder, während zu aufsehenerregende Kreaturen sich auf „der Farm“ niederließen, ein außerhalb gelegenes Reservat. Natürlich führen all diese beengten, ghettoisierten Verhältnisse zu einem hohen Maß an Angst, Hass, Neid und Kriminalität. Selbst unter Zauberern und sprechenden Tieren. Durch den Einsatz übermenschlicher und magischer Fähigkeiten wäre die menschliche Polizei natürlich überhaupt nicht in der Lage, diese Verbrechen zu regulieren. Aufgrund seines… sagen wir „jahrhundertelang erworbenen Respekts“ ist der „Große, böse Wolf“, der sich in seiner menschlichen Gestalt heute schlicht Bigby nennt, aber prädestiniert für die übersinnliche Verbrechensbekämpfung. Wenn ein geflügelter Affe aus dem Reich von Oz unter dem Einfluss feinsten Sherrys düstere, europäische Folklore vorträgt und eines der drei gar nicht mehr so kleinen Schweinchen sich wieder einmal in Bigbys heruntergekommenem Appartment breit macht, um Schnaps und Kippen von ihm zu schnorren, wird eines schnell klar. „Wolf Among Us“ ist nicht besonders Disney-Kompatibel ist.

Die Vertigo-Reihe „Fables“ endete im Jahr 2015 nach sage und schreibe 150 Ausgaben. Völlig zurecht mit zahlreichen Auszeichnungen bedacht, hat das innovative, abgedrehte Epos mit einem mix aus klassischen Märchenmotiven und derbem, sozialkritischem Noir-Drama eine ganze Generation von Indie-Comics und TV-Serien geprägt. Ganz offensichtlich lieferte sie etwa Inspirationen für die ähnlich konstruierte Scifi-Reihe „Saga“, die TV-Krimiserie „Grimm“ oder das deutlich familientauglichere „Once Upon A Time“. „Wolf Among Us“ ist nun die Comic-Adaption des gleichnamigen Videospiels von Telltale, das erstmals eine neuen Handlungsstrang, angesiedelt vor der Story der ursprünglichen Heftreihe präsentierte. Wer wie auch ich bislang vor dem respektablen Umfang von „Fables“ zurückschreckte, bekommt mit dem ersten Band dieser Vorgeschichte nicht nur den perfekten Einstieg geliefert, sondern wird nach der exzellent und eigenwillig erzählten Geschichte auch sicher kaum abwarten können, sich tiefer in die verruchte Welt der saufenden und fluchenden Fabelwesen zu stürzen. Oder wenigstens den Mond anzuheulen.

  • Fables – The Wolf Among Us: Der Wolf geht um Bd.1
  • Autor – Matthew Sturges
  • Künstler – Steve Sadowski, Shawn McManus, Travis Moore
  • 132 Seiten
  • Broschiertes Softcover
  • 16,99€
  • Original-Stories – Fables – The Wolf Among Us 1-4
  • Erhältlich bei Panini