KATHARSIS

Je suis Charlie. Ein Satz der traurige Geschichte schrieb, drückt er doch auch heute noch die Trauer um die Opfer des Anschlags auf die Redaktion des französischen Satire-Magazins „Charlie Hebdo“ am 7. Januar 2015 aus. Karikaturist Renald „Luz“ Luzier kam an diesem Tag später zur Arbeit, feierte zuvor seinen Geburtstag mit seiner Frau. Er entging vermutlich allein deswegen dem Tod durch die Hand der extremistischen Attentäter. Sein auf deutsch im Fischer-Verlag erschienener Band „Katharsis“ bietet keine Hintergründe oder neuen Erkenntnisse um die tragischen Ereignisse. Das Buch dient auch nicht der Befriedigung von Sensationsgier oder bestätigt gar rassistische Rückschlüsse, die der erstarkende Rechtspopulismus in Europa daraufhin zogen.

„Katharsis“ ist streng genommen auch kein klassischer Comic, weder eine durchgängige Erzählung, noch eine Sammlung kurzer Strip-Episoden. Vielmehr ist es eine Kollektion von Momentaufnahmen, von Fingerübungen und flüchtig skizzierten Gedanken, mit denen Luz seine tiefe Krise und die künstlerische Blockade nach dem Tod vieler Kollegen und Freunde überwand. Er schildert seinen Alltag nach diesem schwarzen Tag, die allgegenwärtigen Sicherheitskräfte und den einhergehenden Verlust seiner Privatsphäre, sowie die bohrenden, unsensiblen Fragen der Öffentlichkeit. Immer im Zentrum steht dabei die unerschütterliche und leidenschaftliche Beziehung zu seiner Frau, die ihm in dieser schweren Zeit nicht nur Halt gab, sondern ihm auch stets Inspiration und neue Perspektiven lieferte.

Durch geschickt gewählte Reihenfolgen und extrem authentische, verzweifelte, hoffnungsvolle, immer berührende Begleittexte montiert Luz dann am Ende aus dieser Auswahl von Übungen und Studien eine dichte, emotionale Achterbahn. Auf dieser dürfen seine Leser an seinem persönlichen Weg zurück in sein Leben und vor allem zurück in seine Kunst teilhaben. Ausgezeichnete Arbeit leistet hierbei die Übersetzung, die sich immer dicht am Ausdruck der Bilder bewegt aber dabei niemals durch gezwungenen Sinn die bittersüße Atmosphäre zerstört.