Unter dem gemeinsam Pseudonym „Jane Deuxard“ reist ein Journalistenpaar in den Iran. Dort stimmte 1979 eine erdrückende Mehrheit der Bürger für ein Referendum, das die Grundlage für die „Islamische Republik“ bildete. Die lange, autokratische Herrschaft von Schah Mohammad Reza Pahlavi brachte industriellen und westlichen Fortschritt mit sich, entmündigte das Volk jedoch auch naturgemäß. Und mit der Revolution, die mutmaßlich alle Macht zurück auf das Volk übertragen sollte kehrten nun vor allem archaische, religiöse und traditionelle Muster zurück in das Land.

Gemeinsam mit Comic-Zeichner Deloupy dokumentieren die „Deuxards“ Gespräche, die sie unter dem Radar der allgegenwärtigen Mullahs und ihrer Schergen in ständiger Angst um ihr Leben und um ihre Freiheit aufzeichneten. Strukturell bestehen dabei große Ähnlichkeiten zu den Arbeiten von Sarah Glidden. Dabei stehen aber nicht politische Prozesse oder Reflektionen im Vordergrund, sondern ein so persönliches und intimes Thema wie die Liebe. Die ist im Iran heute weitestgehend fremdbestimmt und wird streng traditionell von den Eltern bestimmt. Gefühle finden meist keinen Platz in dieser Selektion. Der von den Eltern der Braut erwählte Bewerber sollte zwar über repräsentativ gutes Aussehen verfügen, vor allem aber über ein prall gefülltes Bankkonto. Küssen oder gar vorehelicher Sex sind dabei unter strengen Strafen verboten. Selbst die Zusammenkunft nicht miteinander verwandter Menschen unterschiedlichen Geschlechts in Cafés oder auf Feiern kann schnell zur ernsten Gefahr für Leib und Leben werden.

Neben Deloupys gleichermaßen reduzierten wie ausdrucksstarken Zeichnungen, allen voran die extrem überzeichneten Karikatur-Elemente, ist es die breit gefächerte Auswahl an unterschiedlichen Positionen, die „Liebe auf Iranisch“ zu einer intensiven und horizonterweiternden Erfahrung macht. Wer hätte etwa daran gedacht, dass nicht jede Frau sich eingesperrt und unterdrückt fühlt, sondern dass es auch Damen gibt, die eine Entbindung von jeder Verantwortung auch als luxuriös und befreiend wahrnehmen können? Dabei bewerten die Autoren keine einzige dieser Positionen, sondern geben jedem einzelnem Gesprächspartner gleichermaßen Raum für nachvollziehbare aber eben auch für unser kulturelles Empfinden manchmal durchaus exotische Perspektiven.

Iranische Ärzte, Künstler oder Hausfrauen berichten über ihre manchmal sehr traditionelle und wirtschaftliche, oft aber auch leidenschaftliche und verzweifelte Beziehung zum Konzept der Liebe in einem Land, dass selbst die Aufführung oder den Konsum nicht religiöser Musik unter Strafe stellt und jeglichen sozialen Kontakt unter die häufig erbarmungslose Kontrolle traditionalistisch geprägter Familienverbände stellt.

Am Beeindruckendsten ist dabei aber, wie leichtfüßig das Künstler-Trio eine Erkenntnis herausstellt, an der die westliche Öffentlichkeit noch immer scheitert. Denn trotz des religiös motivierten Regimes sind viele dieser Iraner gläubige Muslime, die keinen Zusammenhang zwischen ihrer Liebe zu Allah und deren Instrumentalisierung durch die Mullahs sehen. So entwaffnend einleuchtend und dabei gleichzeitig so zugänglich wie in „Liebe auf Iranisch“ kann man dieses komplexe Streitthema wohl kein zweites Mal aufbereiten.



LIEBE AUF IRANISCH
Autoren: Jane Deuxard
Künstler: Deloupy
144 Seiten
Hardcover
19,80 Euro
Erschienen bei Splitter