Kater Fritz ist ein besonders fieses, eigennütziges und triebgesteuertes Exemplar seiner (zu satirischen Zwecken hier vermenschlichten) Art. Während seine WG-Kumpels wenigstens ab und zu ihre Nasen in Bücher stecken, hat Fritz überhaupt keine Motivation jemanden glauben zu lassen, er sei ambitionierter Student und an irgendetwas Produktivem interessiert. Stattdessen jagt der permanent paarungsbereite Stubentiger von Rausch zu Rausch und von Rock zu Rock, damit nur ja sein Dopaminspiegel nicht absinkt. Mitleid, Ethik oder Pietät sind ihm völlig fremd, high zu sein und sein Saatgut großflächig zu verschleudern der einzige Lebenszweck.

„Fritz the Cat“ ist nicht nur eine Galionsfigur für Comic-Künstler Robert Crumb und den bis heute praktizierten „Underground“-Stil, den er mit seinen drallen Figuren und Obsessions-Geschichten geprägt hat, wie niemand sonst. Vor allem ist der in Fritz manifestierte Albtraum von Micky Maus und all seinen lachenden, tanzenden Freunden ein ausgestreckter Stinkefinger in restlos jede Richtung. Nicht nur für das Ende der Sechziger, in der Entstehungszeit von Fritz populär verhasste Establishment, sondern auch für die hier satirisch enthauptete Generation von Hippies und Friedensbotschaftern.

Fritz ist ein Drecksack. Ein Symbol für alles schlechte, egoistische, gierige und rücksichtslose an der Menschheit und dafür, was es für eine Freude sein kann, diesen Impulsen nachzugeben. Eine echte Wertung, eine Moral wie etwa bei Wilhelm Buschs Lausbuben Max und Moritz will Crumb überhaupt nicht liefern, oder eine Position für oder gegen die Lebensart seiner Figur einnehmen. Ob man sich deshalb über die teilweise sexistisch oder rassistisch wahrnehmbaren Darstellungen echauffieren, oder sie als satirische Metapher der oft eben destruktiven und egoistischen Natur des Menschen wahrnehmen möchte, bleibt daher jedem Betrachter selbst überlassen.

Über jede Diskussion erhaben ist dagegen Crumbs Einfluss auf die Kunstform Comic und seine sehr frühe Pionierarbeit in Sachen Selbstverlag. Allein dafür und für die wundervoll ablesbare Entwicklung seines Zeichenstils lohnt sich das exzellent verarbeitete Hardcover-Buch von Reprodukt, das mehr Material der fiesen Miezekatze in sich vereint, als je zuvor in einer deutschen Ausgabe. Wer Crumbs künstlerische Integrität dabei in Frage stellt, sollte sich zunächst dringend noch einmal vor Augen führen, dass der Künstler seine immer populär werdende Figur nach ihrem publikumswirksamen Kinoauftritt in den Siebzigern von einer wütenden Straußendame mit einem Eispickel ermorden ließ, um ihn so der kommerziellen Ausschlachtung zu entziehen. Fritz blieb auch bis heute tot. Ganz entgegen der Wiedergänger-Tradition verstorbener Comic-Figuren in amerikanischen Mainstream-Comics…



FRITZ THE CAT
Autor & Künstler: Robert Crumb
128 Seiten
Hardcover
29,00 Euro
ERSCHIENEN BEI REPRODUKT