Wenn man der Comic-Reihe „Manifest Destiny“ glauben schenken kann, dann hat die Expedition von Lewis und Clark zu Beginn des neunzehnten Jahrhunderts noch ganz andere Ergebnisse zu Tage gefördert, als nur die unspektakuläre Kartographierung des noch unerschlossenen, amerikanischen Kontinents. Die Mannschaft aus Soldaten, Sklaven und Sträflingen begegnet hier auch alptraumhaften Kreaturen und gelangt bald an den Rand des Wahnsinns. Anders als sonst so greifbare Gefahren wie riesige, fleischfressende Kröten, blutrünstige Zentauren oder der leibhaftige Bigfoot haben es die Abenteurer diesmal aber mit einem wesenlich subtilerem Gegner zu tun: Ihren jeweils ureigenen Ängsten…

Es ist wirklich eine Schande, welches Nischendasein die großartige Horror-Kreuzfahrt aus Robert Kirkmans Skybound-Verlag noch immer fristet. „Manifest Destiny“ verbindet die menschlichen Spannungen aus modernen Endzeit-Reihen wie „The Walking Dead“ mit klassischer, eleganter Abenteuer-Literatur und aller Lächerlichkeit beraubten Standards des Fantasy- und Horror-Genres. Der fünfte Band mit dem zungenbrecherischen Titel „Mnemophobia & Chronophobia“ erreicht dabei nicht die Atemberaubende Höchstform des Vorgänger-Bandes „Sasquatch“, mit all seinen großartigen, bitterbösen Metaphern für die Ausbeutung der amerikanischen Ureinwohner, bereitet mit seiner intensiven Auslotung der zentralen Charaktere und ihrer persönlichen Ängste aber pfiffige weitere Geniestreiche dieses Kalibers vor.

Starke, angenehm unaufdringlich und klassisch kolorierte Bilder rücken den Erkundungshorror ins rechte Licht und verleihen den glaubwürdigen Figuren so zusätzliche Tiefe. Dabei entwickelt die Serie ihre eigene, unverkennbare Mythologie immer weiter, die ähnlich wie in Mike Mignolas „Hellboy“ zwar häufig auf tatsächlicher Folklore beruht, aber eine tolle und frische Eigendynamik entwickelt.

„Manifest Destiny“ glänzt mit einem herrlich unverbrauchtem Szenario, erstklassiger Ausführung und vielen innovativ inszenierten Ideen, die Freunden klassischer Pulp-Motive trotzdem immer wieder ein nostalgisches Lächeln auf die Lippen zaubern werden.



MANIFEST DESTINY (Bd.5): Mnemophobia & Chronophobia
Autor: Chris Dingess
Künstler: Owen Gieni
128 Seiten
Hardcover
20,00 Euro
ERSCHIENEN BEI CROSS CULT