Ein ganz mysteriös nur „Nameless“ genannter Okkultismus-Experte wird für ein Himmelfahrtskommando ins Weltall einberufen. Mit einer Gruppe aus Wissenschaftlern soll er das sichere Ende unseres Planeten durch eine Kollision mit dem riesigen Asteroiden Xibalba abwenden. Während die meisten seiner Teamkameraden den dauernervösen Sonderling und seine Spukgeschichten von Monstern, Engeln und einem großen Krieg zunächst belächeln, bleibt ihnen der Spott schon bald im Halse stecken. Offensichtlich ist Xibalba nicht nur einfach ein Asteroid, sondern ein uralter Ort, der unaussprechliche Dinge beherbergt…

Nach 192 Seiten albtraumhafter, bluttriefender Irrsinns-Kollagen hinterlässt „Nameless“ seinen Leser mit ein einem Fragezeichen kosmischen Ausmaßes. Der oberflächlich als Kreuzung von Christopher Nolans „Inception“ und dem großartigen „Event Horizon“ zu bezeichnende Horrortrip hat den stets auf der Schwelle zum Wahnsinn balancierenden Comic-Großmeister Grant Morrison wohl keinerlei gestalterische Grenzen gesetzt. Und nun haben wir den Salat. Sollte es tatsächlich Comic-Freunde geben, die sich eine ähnliche Tiefe in den Bereichen Okkultismus, Mystik und Religion angelesen haben wie der exzentrische Brite, dann darf man bezweifeln, dass selbst dieses Fundament des Wissens ausreichen würde, die bewusst bruchstückhafte, chronologisch verworrene und avantgardistische Erzählweise in Gänze aufzuschlüsseln.

Ob das nun „Kunst ist oder weg kann“ liegt dabei (wie so oft) allein im Auge des Betrachters. Aber auch Leser mit einer sehr konservativen Sicht auf Erzählweisen werden „Nameless“ nicht absprechen können, dass der Titel tatsächlich beunruhigt und nervös macht. Das ist ein ausgesprochen schwieriges Unterfangen für ein Comic-Buch, denn anders als beim Film fehlt hier die emotional sehr unmittelbare Unterstützung durch Musik. Anders als bei einem Roman fehlt hingegen die Möglichkeit, echtes Unbehagen durch detailliert widerliche Schilderungen hervorzurufen, dafür ist im Comic einfach zu wenig Platz für Text. Ein erfahrener und profilierter Künstler wie Chris Burnham, der mit Morrison bereits an „Batman Inc.“ arbeitete schafft es aber spielend, dieses Handicap mit extremen Perspektiven, verzerrter Mimik und einem leicht zittrigem Indie-Strich aufzuwiegen. Dass sein Stil offenbar stark vom ebenfalls mit Morrison verflochtenem Künstler Frank Quitely beeinflusst ist kann man wohl nicht von der Hand weisen. Die konstant hohe Qualität von Burnhams Bildern wird dem großen Vorbild dabei aber durchaus gerecht, also ist das völlig okay.

„Nameless“ ist nichts für Kontrollfreaks und Happy-End-Hasen, sondern ein brutaler, anstrengender und fies intensiver Comic-Alptraum. Wer sich darauf einlässt, wird hinterher in jedem Fall nicht behaupten können, so etwas habe er schon tausend mal gelesen. Ein giftig-gemeines Kunstwerk dass in seiner Kompromisslosigkeit oft bis in Jodorowsky-esque Sphären vordringt. Und das heißt was.




NAMELESS
Autor: Grant Morrison
Künstler: Chris Burnham
192 Seiten
Hardcover
25,00 Euro
ERSCHIENEN BEI CROSS CULT