Eine Marvel „Helden“-Truppe aus lauter ruppigen Antihelden und ehemaligen Schurken? Handverlesen um ohne Team-Outfit einem schwarz-roten, gemeinsamen Farbschema zu entsprechen? Unter Mitwirkung von Verlagsnervensäge und Fan-Liebling Deadpool? Shut up and take my money! 

So oder so ähnlich waren meine ersten Gedanken, als ich die erste Ausgabe der zweiten, komplett neu besetzten Thunderbolts-Reihe in den Händen hielt. Mit „Marvel Now“ wollte es der Traditionsverlag dem großen Konkurrenten DC gleichtun, der mit seinen „New 52“ zahlreiche Reboots (also Neuanfänge) und Neuausrichtungen angestoßen hatte. Beide Aktionen hatten den Zweck, neuen Lesern einen guten Start in die komplexen Superheldenmythologien zu geben, ohne dieses beißende Gefühl erst jahrzehntelange Comicgeschichte aufholen zu müssen. Und den Stammlesern sollten abgefahrene, experimentelle und bissigere Reihen geboten werden, da diese Zielgruppe mitlerweile häufig in einem Alter war, in dem sie ihre Unterhaltung manchmal deftiger mochte und mitlerweile auch serviert bekommen durfte. Die neuen Thunderbolts unter der Leitung von „Red Hulk“ Ross waren einer dieser Versuche. 

In diesem letzten Band der Reihe geht es um einen heftigen Streit zwischen Ross und den „Punisher“ Frank Castle. Nachdem der wahnsinnige Doktor Faustus eine ganze Schule voller Kimder getötet hat, gibt es für den Punisher nur eine logische Konsequenz – Faustus muss sterben.

Aber der rote Hulk verfolgt andere Ziele. Faustus soll – wie auch Ross selbst – Buße tun, seine Schuld an der Gesellschaft begleichen und für die Thunderbolts arbeiten. Wütend über die Inkonsequenz ihres Anführers verlässt Castle die Thunderbolts. Als er kurz darauf einen Sprengstoffanschlag auf eines seiner Geheimverstecke überlebt, reagiert Frank Castle auf die einzige Art und Weise, auf die er reagieren kann. Er zieht in den Krieg – Gegen die Thunderbolts.

Die Thunderbolts sind eine hervorragende, irrwitzige und actionreiche Marvel-Reihe, die besonders erfahrenen Marvel-Lesern mit Kenntnis über die einzelnen Charaktere eine Menge Spaß machen wird. Da viele Teammitglieder wie Ghost Rider, Elektra oder der Punisher durch ihre Auftritte in Hollywood-Filmen zu Popkulturgut geworden sind, dürfen sich aber auch Neulinge, die Lust auf eine härtere, kompromisslosere Variante der „Avengers“ haben daran versuchen. 

Wirklich schade ist, dass „Punisher vs Thunderbolts“ dem gleichen Phänomen erliegt wie andere gecancelte Comicreihen. Um einen mehr oder weniger sinnvollen Abschluss zu finden und alle handelnden Figuren auf den eventuellen Transfer in neue Heftreihen vorzubereiten muss die Handlung sehr gestaucht werden. Das ohnehin hohe Erzähltempo der Serie gibt den großartigen Ideen für das Serienfinale wenig Zeit. 

Das ändert nichts daran, dass die sechs Bände insgesamt jede Menge „Heavy Metal zum Lesen“ sind. Nur enden sie eben nicht in einem langen, schillernden, furiosen Solo. Sondern in einer schnellen Wiederholung des großartigen Refrains, um im musikalischen Vergleich zu bleiben. Da der Song insgesamt aber so wahnsinnig viel Spaß macht und man ihn immer wieder hören wird, will und muss man auch das Finale haben, ganz klar.

Punishers Kreuzzug gegen seine ehemaligen Teamkameraden und gegen seine geliebte Elektra bieten viele witzige Details und Anspielungen. Ob Frank nun mit Mephistos Schwert gegen den Ghost Rider antritt oder sein erstes Zusammentreffen mit der leicht bekleideten Attentäterin in den Comics von Garth Ennis rekapituliert, „Punisher vs Thunderbolts“ ist Fan-Service.

Ich verbleibe mit dem wehmütigen Gedanken, dass ich entweder einen sehr schlechten Geschmack habe, oder einfach einen zu exklusiven. Denn fast alle Marvel-Serien, die ich in den letzten Jahren so richtig gern gelesen habe fanden ein vorzeitiges Ende. Avengers Undercover, All-New Ghost Rider, Scarlet Spider und eben die Thunderbolts. Alle abgebrochen, Ende, aus. Vielleicht bin ich auch einfach verflucht. Ein Grund mehr, sich die Abenteuer der „Anti-Avengers“ ins Regal zu stellen. Einfach nur um Marvel zu zeigen, dass die Thunderbolts ein Publikum haben und wir mehr wollen!

     

  • Autor: Ben Acker, Ben Blacker
  • Zeichner: Carlo Barberi, Kim Jacinto
  • Seiten: 132
  • Format: Softcover
  • Original-Storys: Thunderbolts 27-32
  • Preis: 14,99 €
  • Erschienen am 28.07.2015

Rezensionsmuster – Paperback, zur Verfügung gestellt von Panini – Herzlichen Dank!

IMG_1734