Die junge Roboter-Puppen-Dame Orio erwacht ohne irgendeine Kenntnis darüber, wer und wo sie eigentlich ist. In der merkwürdigen Stadt „Cobble“ scheinen alle Bewohner mechanisch zu sein, sie sind Puppen, Roboter oder Marionetten. Gleich nach ihrer Erweckung erfährt Orio ihren Namen durch die Inschrift einer Taschenuhr und wird von einer ruppigen Verwaltungsangestellten darüber informiert, dass sie sich nun einen „Kauz“ auswählen und einen Beruf zuweisen lassen müsse. Bereits bei der Auswahl dieses „Kauzes“, eines haustierähnlichen Maskottchens wird Orio klar, dass sie scheinbar nicht in die strikten Verhaltensmuster von Cobble zu passen scheint. Denn der chaotische kleine Bauble wählt sie aus, nicht umgekehrt. Fortan verbreitet das katzenartige kleine Monster Chaos und erschwert Orios Einstieg ins Berufsleben erheblich. Aber schon bald wird sich herausstellen, dass Bauble viel mehr ist, als ein wilder Störenfried…

„Hinges“ ist trotz seines extrem reduzierten Zeichenstils ein visueller Volltreffer. Obwohl extrem wenig Dialoge oder erzählender Text genutzt werden, wirken alle Charaktere unglaublich ausdrucksstark und verstehen es Emotionen immer glaubhaft zu transportieren. Insbesondere das wirklich hinreißende Verhältnis zwischen der stillen Orio und ihrem destruktiven Mitstreiter Baubles wird jedem der Thematik aufgeschlossenen Leser immer wieder ein Lächeln auf das Gesicht zaubern.

Aber das ursprünglich als Webcomic verfasste „Hinges“ ist nicht nur niedlich, sondern auch eine starke Metapher für die vorgegebenen Pfade der Gesellschaft, für die Erwartungen der Umwelt an einen jungen Menschen. Und ein starkes Plädoyer dafür, von ihnen abzuweichen und den eigenen Weg in dieser verrückten Welt zu finden.

Trotz seines sehr dekorativen Gewandes und der wirklich geschmackvollen und atmosphärischen Farbpalette ist „Hinges“ dabei aber nicht leicht konsumierbar. Die sehr geringe Textdichte und extreme Stilisierung der Bilder erfordert zwingend, dass man einer Seite auch mal eine zweite und dritte Chance geben muss, bevor man ihren Inhalt wirklich erfassen kann. Insbesondere der erzählerische Höhepunkt, bei dem sich Baubles schützend vor seine Orio wirft wirkt nicht immer klar und eingängig.

Wer aber bereit ist die erforderliche Konzentration zu investieren, erhält dafür einen bildschönen Comicband, der einen extrem hohen Wiedererkennungswert und ganz viel künstlerische Eigenständigkeit mit sich bringt. „Hinges“ ist wie eine Packung edler Pralinen. Auch wenn man mit den französischen Begriffen auf der Schachtel erst nicht viel anzufangen weiß und zu Beginn mit den gänzlich unbekannten Geschmacksrichtungen überfordert scheint, ist die Schachtel schon kurz darauf komplett leergenascht und will man mehr.

  • Hinges 1 – Uhrwerk Stadt
  • Autorin & Künstlerin – Meredith McClaren
  • 116 Seiten
  • Hardcover
  • 14,00€
  • Erhältlich bei Popcom

Copyright © 2015 by Meredith McClarenhingesint