Die junge Rachel erwacht tief unter der Erde. Mysteriöser Weise kann sie nicht sterben, obwohl ihr Körper gezeichnet ist, von diversen Spuren roher Gewalt. Nachdem sie sich den kräftezehrenden Weg hinauf durch sechs Fuß Erde gebahnt hat, sucht sie Rat und Unterstützung bei ihrer besten Freundin Jet und ihrer Tante Johnny. Niemand hat eine Erklärung für Rachels neues, untotes Dasein, aber alle sind sich einig, dass Rachels „Mörder“ gefunden und gestellt werden muss, um dem Rätsel auf die Spur zu kommen. Dabei geraten die Bewohner des verschlafenen Städchens Manson immer tiefer in einen seit Jahrtausenden andauernden Konflikt…

Die Arbeiten des amerikanischen Autoren und Zeichners Terry Moore (Strangers in Paradise) waren eine der ersten Ausnahmen des von künstlerischen, europäischen und japanischen Veröffentlichungen geprägten Programms von Schreiber & Leser. Und dieser kleine Bruch mit den jahrzehntelangen Traditionen war goldrichtig.

Auch wenn „Rachel Rising“ durch Moores erfrischende, sehr an TV-Konzepte erinnernde Erzählweise und die eigenwilligen, sympathischen Charaktere zunächst eher wie reine Unterhaltung wirkt, ist die bislang vier Bände umfassende Serie ganz klar echte und wertige Kunst. Hinter der frechen Horror-Soap verbirgt sich eine mühevoll und intelligent konstruierte Handlung, deren Fäden Moore in immer genau der richtigen Geschwindigkeit entwirrt, um dabei zu amüsieren, zu erschrecken und zum Nachdenken anzuregen.

Es ist kein Wunder, dass Moores Werke sich fast immer um zwischenmenschliche Beziehungen drehen. Denn vermutlich gibt es kaum einen Künstler, der sich mit seiner Fähigkeit Figuren und ihrer Mimik Ausdruck zu verleihen messen kann. Sein schlichter aber extrem sicherer und dekorativer Strich vermag es jede Nuance zwischen Freude, Angst, Hass, Wut und Zuneigung einzufangen.

Die größten, zeichnerischen Momente sind aber vermutlich die, in denen Moore seine Schlichtheit „kurz“ gegen fanatische Detailverliebtheit eintauscht. Denn wie sonst oft üblich investiert der Amerikaner seine Zeit nicht in die üblichen „Hot Spots“ wie zum Beispiel dem ersten Aufeinandertreffen zweier Charaktere. Wer das erste Mal eine Totale von Terry Moore sieht, bei der jede einzelne Schneeflocke eines Blizzards händisch gezeichnet wurde, der wird nachvollziehen können, warum gerade diese vermeintlich eher zweckmäßigen Szenen in seinen Werken so extrem eindrucksvoll ausfallen.

„Rachel Rising“ ist eine absolut herausragende Comic-Reihe, die es versteht auf extrem hohem Niveau zu unterhalten und zu bewegen. Selten begegnen einem Leser derart glaubhafte Figuren, selten wird eine derart hohe Bandbreite an Spannung, (bizarrer) Romanze und verstörendem, spannendem Horror geboten. Jeder hochkulturell und europäisch geprägte Comic-Sammler sollte dringend einen Blick in Terry Moores Hexen-Soap werfen, um sich von seinen Vorurteilen gegenüber Comics aus den Staaten zu befreien. Genau wie jeder US-Comic-Fan, der bislang vielleicht glaubte, Anspruch müsse immer trocken und schwer zugänglich sein. So sehr man sich auch bemüht irgendetwas an „Rachel Rising“ zu finden, das nicht perfekt ist oder die Zielgruppe einschränkt – Es gelingt nicht.

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