Der junge Künstler K. findet nach einer gescheiterten Beziehung nicht so recht zurück ins Liebesleben. Sein Mitbewohner Brian kennt solche Schwierigkeiten nicht. Dank des Online-Dating-Portals „Lovebug“ stolpert der nicht besonders helle, dauerbetrunkene Liebeskünstler buchstäblich von einem weiblichen Unterleib in den nächsten. Mehr erwartet offenbar keine Partei von den schnell organisierten Sex-Dates. Getrieben von seiner Einsamkeit und den zweifelhaften Lebensratschlägen seines WG-Kumpanen meldet auch K. sich bei Lovebug an. Schnelle, unkomplizierte und niemals jugendfreie Abenteuer lassen ihn schnell Blut lecken. Ohne es zu bemerken wird der unpersönliche, schnelle Sex zu einer konsumierenden und gefährlichen Sucht, die sich nicht mehr kontrollieren lässt…

Die Generation „Tinder“ braucht keine Überwindung mehr, muss ihren Charme nicht spielen lassen um „zur Sache“ zu kommen. Das Internet hilft spielend dabei, die sexuellen Vorlieben und (falls überhaupt relevant) zwischenmenschlichen Erwartungen auszudiskutieren, bevor man sich überhaupt gegenseitig vorgestellt hat. Was besonders für viele junge Männer zunächst das gelobte Land zu sein scheint, entpuppt sich in Koren Shadmis offensichtlich autobiographisch inspirierter Graphic Novel als tückischer Treibsand.

Denn die ständige, bedingungslose Verfügbarkeit von Geschlechtsverkehr, die verzweifelte Sucht nach immer mehr „Abschüssen“ isoliert den tragischen Antihelden „K.“ ironischer Weise immer mehr. Keine echte Nähe und Vertrautheit können mehr entstehen, wenn die nächste Eroberung nicht nur einen Tastendruck auf dem Smartphone entfernt ist, sondern auch längst einen viel höheren Stellenwert eingenommen hat als alles andere. Auch der soziale Austausch mit Freunden und Familien kommt immer kürzer, da der Terminplaner bereits mit potentiellen Orgasmen – pardon – prall gefüllt ist. Trotz seines deutlich weicheren und strukturierteren Stils zitiert Shadmi dabei zeichnerisch immer wieder den legendären Cartoonisten Robert Crumb, eines seiner großen Idole, der sich selbst ironischer Weise ein gestörtes Verhältnis zu Frauen diagnostiziert.

Unterm Strich ist „Love Addict“ trotz der zu Grunde liegenden, immer wieder zum Schmunzeln einladenden Anekdotensammlung eine sehr ernste und besorgte Erzählung. Denn der vermeintliche Traum des permanenten Beischlafs offenbart ganz offensichtlich, dass selbst etwas so tolles wie Sex sich abnutzen kann, wenn jede zwischenmenschliche Basis fehlt. Ein tolles Buch, das sicher auch ein leerreiches Geschenk für unverbesserliche Schürzenjäger ist.

Copyright © 2016 by Koren Shadmi
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