Wikinger hatten sehr wenig mit der romantisierten Vorstellung zu tun, die Hollywood, Fantasy-Rollenspiele oder „Wickie und die starken Männer“ in den Köpfen moderner Menschen hinterlassen haben. Wikinger mordeten, vergewaltigten, brandschatzten, sahen dabei aber halt auch scheiße cool aus. Das wird man mit so vielen Jahrhunderten Abstand „ja wohl noch sagen dürfen“. Die Brüder Egil und Finn machen da keine Ausnahme und schnetzeln sich Stück für Stück ihren Weg an die Spitze der Nahrungskette. Gemeinsam mit ihrem grobschlächtigem Saufkumpan Orm wollen die beiden in ihrem Größenwahn nicht einmal vor dem größten Schatz des Königs halt machen. Dass dessen Hofstaat ein Sammelbecken von Intriganten und Verrätern ist, kommt ihnen dabei gerade recht…

Wer in der HBO-Serie „Game of Thrones“ glaubt die neue, popkulturelle Erfüllung in Sachen roher Pseduo-Historie gefunden zu haben, kann sich mit der ursprünglich im amerikanischen Image-Verlag erschienenen Serie „Viking“ nun eines besseren belehren lassen. Auch wenn rollende Köpfe und nackte Haut keine so zentrale Rolle spielen, wie in der TV-Umsetzung des Fantasy-Epos, hinterlassen die Comic-Wikinger durch die völlige Abwesenheit von Eleganz, Etikette oder sozialer Konventionen einen noch deutlich derberen, archaischen Gesamteindruck. Trotzdem lässt es sich Ivan Brandon nicht nehmen, den Teufelskreis der Gewalt zu thematisieren und in Frage zu stellen, ohne die Handlung dabei unnötig zu verkitschen oder aufzuweichen.

Der deutsche Künstler Nic Klein, mit dem der Autor bereits das ebenfalls bei Cross Cult auf deutsch erhältliche und großartige „Drifter“ inszenierte, leistet einen gewaltigen Beitrag dazu. „Viking“ ist ein aufregender Technik-Showcase, in dem Klein mit vermeintlich wild zusammengewürfelten Collagen aus Punktrasterung, leuchtenden Malereien die sich nicht vor Richard Isanove verstecken müssen und groben Tuschskizzen, auf die selbst Simon Bisley stolz wäre für offene Münder sorgt. Auch wenn die Assoziation mit solchen Meistern ihres Fachs bereits Ritterschlag genug wäre, verbindet der unverkennbare Stil von Nic diese Fragmente zu einem stimmigen Ganzen und verleiht „Viking“ viel Lebendigkeit, Charakter und anarchisches Punkrock-Feeling.

Der nun auf deutsch vorliegende Hardcover-Band vereint die abgeschlossene, erste Storyline und damit alle bislang veröffentlichten fünf Hefte. Da die letzte Ausgabe nun schon sechs Jahre zurückliegt, ist es wohl fraglich, ob wir Finn und Egil auf weitere Raubzüge begleiten dürfen. Bevor man jedoch darüber schwermütig wird, sollte man seinen Kummer in Met ertränken und den ersten Band von vorn beginnen. Wie Männer das eben machen.

viking1miniVIKING BD.1: DAS LANGE, KALTE FEUER
Autor: Ivan Brandon
Künstler: Nic Klein
144 Seiten
Hardcover
28,00€
ERHÄLTLICH BEI CROSS CULT

Interview mit „Viking“-Künstler Nic Klein:

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