Vera Jelnikowa verfügt über zwei eindrucksvolle Waffen. Einen Hammer und eine Sichel. Geprägt von freier Liebe und sozialistischen Idealen soll die hochgewachsene Schönheit Amerika mit Propaganda infiltrieren. Als erste sowjetische Superheldin. Während Vera in ihrem Kostüm die durchtriebenen Machenschaften der faschistischen und fanatisch religiösen Gouverneursanwärterin Core bekämpft, hat sie in ihrer verdeckten Identität als „Alabama Jane“ mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen. Als Hauswirtschafterin von Porno-Produzent Lew fällt es der schlagkräftigen Dame ausgesprochen schwer, ihre Libido im Zaum zu halten und sich so gemäß den Wünschen ihres Arbeitgebers nicht in seine Produktionen „einzubringen“. Die Situation eskaliert, als Vera helfen will, Statisten für eine pornografische Verunglimpfung des faschistischen Propaganda-Films „The Farm“ anzuwerben…

Auch mit dem zweiten Band bleibt „Red Skin“ seinem unverwechselbarem Retro-Humor treu und vermengt aus dem Kino der frühen Achtziger bekannten Culture-Clash-Klamauk mit pfiffiger Kapitalismus-Kritik. Darüber vergisst der Autor auch dankenswerter Weise nicht auf die Verfehlungen der sozialistischen Gegenseite hinzuweisen. Lediglich Vera selbst verkörpert das bewusst übertriebene und schillernde Ideal der warmherzigen Sozialistin, während ihren militärischen Befehlsgebern jedes Mittel recht ist, um ihre zweifelhaften Ziele zu erreichen.

Etwas inkonsistent ist die charmante Agentenpersiflage leider bei der romantisch verklärten Darstellung der Porno-Industrie, die in „Red Skin“ zur beinahe durchgehend aktivistischen Kunstszene stilisiert wird. Die Ausbeutung insbesondere weiblicher Darstellerinnen und die durchaus kapitalistischen Interessen der Szene spielen in der sonst so aufrichtig nachgezeichneten Welt von „Red Skin“ leider überhaupt keine Rolle. Im Gegenteil. Alle „Erwachsenenfilm“-Darstellerin in diesem etwas anderen Superheldinnen-Konzept sind natürliche, lebensfrohe Mädels die einfach total Bock auf jede Menge Geruckel haben. Ist klar.

Nichtsdestotrotz lebt auch „Jacky“, der inzwischen zweite Band der Serie von der gekonnten Melange aus Vintage-Klischees und überraschend differenzierter Demaskierung politischer Propaganda-Prozesse und erinnert sich dabei auf jeder einzelnen Seite auch klar an seinen Unterhaltungsauftrag. Vera selbst entwickelt sich dabei deutlich komplexer, als zunächst befürchtet und verharrt nicht auf ihrem überzeichnetem Status als todbringende Sexbombe. „Red Skin“ ist nichts für feinsinnige Intellektuelle oder adrenalinsüchtige Verschlinger von Heldenheftchen, sondern für die Schnittmenge dieser Zielgruppen. Oder eben für Leser, die dazu bereit sind, auch mal außerhalb ihrer Lesegewohnheiten zu wildern. Es lohnt sich durchaus.



RED SKIN (Bd.2): Jacky
Autor: Xavier Dorison
Künstler: Terry Dodson
56 Seiten
Hardcover-Album
14,80 Euro
Erschienen bei Splitter