Ein denkwürdiger Augenblick. Der zehnte und somit auch in den USA bislang letzte Band der „Spawn Origins Collection“ ist in deutscher Übersetzung erschienen. Was daran so denkwürdig ist? Die Tatsache, dass es überhaupt dazu gekommen ist! Wer tatsächlich glaubt, jeder amerikanische Heldencomic sei ein Selbstläufer, verkaufe sich praktisch wie von selbst, der irrt gewaltig. Man denke nur an das vorzeitige Aus von Marvels Daredevil in Good Old Germany! Trotz seines Erfolgs in den Neunzigern ist Todd McFarlanes Höllengeneral Spawn eben ein Nischenprodukt. Ja, ich finde auch nicht witzig, wenn meine heißgeliebten Ninja Turtles oder sogar das pöbelnde DC-Urgestein „Lobo“ von Panini Comics abgesetzt werden. Ohne mit ihnen darüber Rücksprache gehalten haben, bin ich mir aber ausgesprochen sicher, dass es ihnen nicht anders geht. Schließlich gibt es Panini-Mitarbeiter die schon zu seligen Dino-Comics-Zeiten an der Übersetzung, an der Etablierung von Charakteren wie Lobo in Deutschland beteiligt waren.

Für Spawn reicht die Fan-Gunst aktuell wohl noch aus, weshalb wir die großartig verarbeitete Anthologie in deutscher, unzensierter Übersetzung auch hierzulande komplett kaufen können. Wem das alles Wurscht ist, wer seine Comics gern als möglichst unbekannten US-Import aus einer Kleinstauflage bestellt, dem sei das auch gegönnt. Er leistet aber keinen relevanten Beitrag zur Verbreitung dieser Geschichte, dieser Marke, die er doch eigentlich so gut findet. Und er behält so dieses Schaffen auch einem verhältnismäßig kleinen, gut informiertem Personenkreis vor. Zumindest hierzulande. Klar, es gibt das Internet, um sich zu informieren. Zumindest wenn man weiß, wonach man eigentlich sucht. Und ja, es gibt auch tolle Fachhändler, die dabei aushelfen können. Von US-Importen allein können die aber schon lange nicht mehr leben, der direkte Support durch deutsche Verlage, nicht zuletzt auch mit Werbematerial ist oft lebenswichtig.

Warum ich diesen Text, eigentlich eine Rezension für den neuen „Spawn Origins Band 10“ gerade bewusst so weit abschweifen lasse? Um deutlich zu machen, wie sehr ich mich darüber freue, dass Spawn nicht nur nach wie vor in Deutschland erscheint, sondern zusätzlich auch in einer so aufwändigen und schönen Ausgabe. Gerade diese zehnte Sammlung strotz nur so vor Motiven, die aus der frühen Zeit der Spawn-Comics stammen. Wie der fanatische Redeemer, eine Art religiös-fundamentalistischer Anti-Spawn. Oder wie der Junge, der einst das Opfer häuslicher Gewalt wurde, wovor ihn Al „Spawn“ Simmons damals bewahren wollte. Gott, wie oft habe ich die Story damals gelesen.

Natürlich hätte ich mir diesen Band längst in englischer Fassung importieren können, so wie es viele Interessenten in Deutschland bereits getan haben. Schulenglisch mit ein wenig Heavy-Metal-Texterfahrung reicht in der Regel völlig, um das infernalische Epos aus der Feder von Venom-Erfinder und Image-Gründer ToddMcFarlane gut zu verstehen und zu genießen. Aber vermutlich würden deutlich weniger Kids die Bücher heute in einem Händlerregal finden. Sie würden ihren Weg nur in die Abo-Boxen der Freaks finden, die sich noch heute gern an die damals so anrüchigen, brutalen und düsteren Antihelden-Stories erinnern. Quasi dem Comic-Äquivalent zum verruchten „Mortal Kombat“-Prügelspiel, dem „Street Fighter“ für die harten Jungs. Auf die Gefahr hin, mich damit unbeliebt zu machen, lässt mich das Gefühl nicht los, dass es eine gewisse Schnittmenge zwischen diesen US-Direkt-Importeuren und den Schreihälsen gibt, die Panini voreilige Abberufung ihrer Serien unterstellen. Ohne dabei darüber nachzudenken, dass es überhaupt keinen Sinn für einen Verlag macht, eine Serie einzustellen, die wenigstens kostendeckend ist. Deshalb sollte jeder, der Spawn mag und für den eine wertige, nachhaltige Hardcoversammlung zu einem sehr fairen Kurs verlockend ist auch in Erwägung ziehen, sich die deutsche Ausgabe zuzulegen. Denn die hat es tatsächlich bis hierher, bis US-Ausgabe 125 geschafft. Und das ist großartig. Wer das unterstützt, der ermöglicht gegebenenfalls auch eventuelle Übersetzungen zukünftiger Nachfolgebände. Oder vielleicht von Spinoffs wie „Curse of the Spawn“, das ist schließlich auch in zwei Bänden komplett erschienen. Übrigens ebenfalls im „Origins“-Format, damit es daneben im Regal auch gut aussieht.

Es gibt ehemalige Fans und Leser, die mit diesen späteren, etwas kryptischeren und dezent philosophischeren Spawn-Comics von Holguin nichts anfangen konnten. Oder mit der etwas verspielteren, verformteren Emulation von McFarlanes Stil durch Angel Medina. Nach der Lektüre des zehnten Origin-Bandes bin ich aber in meinem Glauben bestärkt: Die sind überhaupt gar nicht schlechter geworden. Manche von uns sind unterwegs einfach erwachsen geworden und haben ihre Begeisterungsfähigkeit eingebüßt. Und das ist manchmal irgendwie echt schade für sie.


SPAWN ORIGINS (Bd.10)
Autoren: Todd McFarlane, Brian Holguin
Künstler: Angel Medina
356 Seiten
Hardcover
29,99 Euro
Erschienen bei Panini


Video-Special zur „SPAWN ORIGINS“-Reihe:

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