Alex Elder ist ein ganz normaler, pubertierender, stimmungsschwankender Jugendlicher. Jedenfalls bis zu jener Nacht, in der seine Freunde und er Opfer einer schockierend brutalen Vampir-Gang werden. Fortan ist der weinerliche Jungspund nicht nur der einzige Überlebende der Fressorgie, sondern auch ein waschechter Blutsauger. Wenn auch ein eher höfliches Exemplar, das mit Blutkonserven Vorlieb nimmt und die sadistischen Jagdtriebe seiner neuen Artgenossen ausgesprochen kritisch betrachtet. Ihm zur Seite stehen dabei der uralte und trotzdem seltsam unentspannte Ekrimus, sowie Mex-Vampirgangster Joe, der gefühlt auf jeder zweiten Seite ein neues, an Luchadores-Masken erinnerndes Makeup trägt…

Humberto Ramos ist ein meisterlicher, sehr eigenwilliger Comiczeichner, dessen stark deformierte, cartoonige Charaktere auf überzeichnete Superhelden-Physis und Manga-Einflüsse treffen. Das sieht ein bisschen aus, wie eine drastischere, zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz ausgereifte Variante seines Kollegen Joe Madueira (Battle Chasers). Das bedeutet nicht, dass „Crimson“ nicht schon über weite Strecken sensationell aussähe, gerade mit seiner grellbunten, ultrabrutalen Neunziger-Attitüde. Nur finden sich halt auch immer wieder Zeichnungen, bei denen deutlich wird, dass Ramos zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz Herr seiner oft extremen Perspektiven war.

Inhaltlich wirkt „Crimson“ wie die späte Realisation der Pubertätsphantasien eines erblühenden Jungen. Das ist gar nicht so durchweg negativ gemeint, wie es zunächst vielleicht klingen mag. Natürlich lassen Stories über Auserwählte, die unverhofft an phänomenale, kosmische Kräfte kommen versierte Nerds und Fantasyfreunde nur müde lächeln und gewinnen der „weise alte Meister“ Ekrimus oder Funny-Sidekick Joe nicht zwingend einen Originalitätswettbewerb. Aber gerade durch diese jugendliche Naivität wirkt „Crimson“ nicht so erzwungen düster und bedrohlich, wie viele Comic-Stories aus dieser ruppigen Epoche der Heldenhorror-Comics. Die Reihe ist farbenfroh, kurzweilig und entfaltet einen ähnlich naiv-trashigen Charme wie die TV-Serie „Buffy“, deren Fans hier voll auf ihre Kosten kommen sollten. In den Neunzigern aufgewachsen zu sein und Sympathien für die bewussten, augenzwinkernden Geschmacksübertretungen des Jahrzehnts zu haben, wird ebenfalls sehr dabei helfen, „Crimson“ gebührend genießen zu können. Ich für meinen Teil hab den zweiten und letzten Band längst vorgemerkt.


CRIMSON Collection (Bd.1)
Autoren: Humberto Ramos, Bryan Augustyn
Künstler: Humberto Ramos
316 Seiten
Hardcover
29,99 Euro
Erschienen bei PANINI