Einst waren sie die strahlenden Helden von Spiral City. Abe, Gail, Barbalien, Talkie Walkie, Lady Dragonfly und der Colonel wurden nach der alles entscheidenden Schlacht gegen den übermächtigen Antigott in eine andere Dimension geschleudert, während ihr Anführer und Freund Black Hammer in diesem epochalen Kampf sein Leben lassen musste. Hier, in einer Welt ohne Superschurken und kosmische Bedrohungen sind sie gezwungen ihre Identitäten vor den wachsamen Augen argwöhnischer Kleinstadtbewohner zu verbergen. Schon bald wird aus der gescheiterten Heldentruppe eine dysfunktionale Familie, die schnell feststellen muss, dass keine Superkraft des Universums sie vor ihren Ängsten und der Einsamkeit bewahren kann…

Black Hammer“ ist nicht nur einfach eine Hommage an das goldene Zeitalter des Comic. Die zahlreichen, ganz offensichtlichen Anspielungen auf ikonische Figuren wie Shazam (Gail), den Martian Manhunter (Barbalien) oder Marvels Galaktus (Antigott) wirken durch das stimmungsvolle Farbenspiel, unglaublich ausdrucksstarke Mimik und die atemberaubend greifbar transportierte Melancholie des etwas anderen Familiendramas tatsächlich niemals unfreiwillig komisch oder überzogen. Vielmehr gelingt es Jeff Lemire in nicht weniger als der vermutlich eindrucksvollsten Helden-Erzählung dieses Jahrzehnts all diesen in der Popkultur längst der Lächerlichkeit preisgegebenen Pulp-Motiven neues Leben einzuhauchen, ihnen viel Klasse und Ernsthaftigkeit zu verleihen. Rückblicke, Retrodesign und die düstere Grundstimmung erinnern zwar regelmäßig an das wegweisende Meisterwerk „Watchmen“ von Alan Moore und Dave Gibbons, tauschen die politische Komplexität dieser Inspiration aber durch wesentlich vielschichtigere Charakterentwicklung aus, was „Black Hammer“ eine ganz eigenes, überhaupt nicht mit den „Watchmen“ zu vergleichendes Flair verleiht.

Spannend, ambitioniert, wunderschön und extrem eigenständig: Wer sich auch nur rudimentär für Comics als Medium interessiert, für den ist „Black Hammer“, das „Stranger Things“ der Golden-Age-Comics indiskutables Pflichtprogramm. Übrigens sollten selbst hartgesottene US-Sammler näher über die deutsche Ausgabe aus dem Splitter-Verlag nachdenken. Die lässt das Original durch die vergrößerte, gewohnt hochwertige Hardcover-Ausgabe weit hinter sich. Zudem sind die Bielefelder für akribisches Lektorat und hochwertige Übersetzungen bekannt. Da macht die englische Ausgabe eigentlich nur dann Sinn, wenn man besser Englisch als Deutsch spricht. Und dann würde man diesen Artikel ja eigentlich nicht lesen.

Übrigens: Star-Autor Jeff Lemire ist schon bald im Rahmen des Internationalen Comic-Salon Erlangen in Deutschland zu Gast!



BLACK HAMMER (Bd.1): Vergessene Helden
Autor: Jeff Lemire
Künstler: Dean Ormston
Hardcover
184 Seiten inklusive Bonusmaterial
19,80 Euro
ERSCHIENEN BEI SPLITTER