Wenn man der Comic-Serie „Manifest Destiny“ Glauben schenken kann, dann hat sich die historische Expedition von Lewis und Clark nicht nur mit der Kartographie des neu entdeckten Kontinents Amerika beschäftigt. Viel mehr handelte es sich bei ihrer Schiffsbesatzung aus königlichen Marine-Soldaten, Strafgefangenen und Glücksrittern um eine Art Geheimtruppe, die Gerüchten über außergewöhnliche Wesen in der schönen neuen Welt auf den Grund gehen sollte. Neben grauenhaften Kreaturen und von entsetzlichen Krankheiten befallenen Kolonien sollte die Schiffsbesatzung aber vor allem die Monster in den eigenen Reihen kennenlernen…

Wer „Fortis & Invisibilia“ nicht empfehlenswerter Weise noch vor den anderen Bänden von „Manifest Destiny“ liest, der könnte fälschlicher Weise beinahe auf die Idee kommen, es gäbe gar keine übernatürlichen Vorfälle auf der abenteuerlichen Reise der Protagonisten. Ganz ähnlich wie in der ebenfalls im Original in Robert Kirkmans „Skybound“-Verlag erscheinenden Kult-Reihe „The Walking Dead“ geht es nun um eine Neuordnung der Machtverhältnisse einer Gruppe von Menschen, die sich fernab jeder staatlichen Kontrolle in einer andauernden Extremsituation befindet. Dank der von Autor Dinges bis hierher so sorgsam erarbeiteten Figuren klappen diese Intrigenspiele auch ganz hervorragend und findet sich mit Pryor eine großartige Verkörperung bigoter, vermeintlich gottesfürchtiger Männer, die das unberührte Amerika bei Besiedelung mit ihren Lügen, ihren Allmachtsphantasien und ihren Hexenjagden überzogen. Auch ein zentrales Statement zum schrecklichen historischen Kapitel der Sklaverei lässt sich der Autor nicht nehmen.

In gewohnt nostalgisch kolorierten, ausdrucksstarken Zeichnungen fühlt sich auch der neueste Band des außergewöhnlichen Kolonial-Grusels wie eine in sich abgeschlossene Staffel einer modernen TV-Serie an, die sich rund um einen mysteriösen Mordfall und existenzielle Fragen nach Glaube und Loyalität abspielt. „Manifest Destiny“ ist nicht weniger als die wahrscheinlich stärkste, originellste und atmosphärisch dichteste Horrorserie der Comic-Landschaft.


MANIFEST DESTINY (Bd.6): Fortis & Invisibilia
Autor: Chris Dingess
Künstler: Owen Gieni
128 Seiten
Hardcover
20,00 Euro
Erschienen bei CROSS CULT