DAS GOLDENE ZEITALTER (Bd.1)

Der König ist tot, es lebe die Königin. Ganz so einfach gestaltet es sich nicht, denn eigentlich ist die warmherzige Tilda die rechtmäßige Thronfolgerin ihres verstorbenen Vaters. Der war ein gutmütiger Herrscher, doch nach seinem Ableben leidet das Volk, bleibt es sich selbst und den Launen gieriger, skrupelloser Fürsten überlassen. Damit das so bleibt, wird die junge Frau unvermittelt ins Exil gedrängt. Auf der Reise mit ihren treuen Gefährten Tankred und Bertil sucht die gestürzte Regentin nun nicht nur nach einem Weg, um ihr Volk aus der Not zu führen, sondern entdeckt auch überraschende Fähigkeiten an sich selbst…

Politische Intrigen und rätselhafte Prophezeiungen sind fester Bestandteil der fantastischen Literatur. Einen Innovationspreis kann Autorin Roxanne Moreil zumindest mit diesem ersten Band ihres Szenarios daher nun wirklich nicht erwarten. Nichtsdestotrotz ist „Das Goldene Zeitalter“ bereits auf dem Reißbrett hervorragendes Handwerk, das mit nachvollziehbaren, vielschichtigen Charakteren und angemessener, noch angenehm und unangestrengt konsumierbarer Komplexität glänzt. Die beispiellose Tiefe erhalten die Ritter, Adeligen und Ganoven des „Goldenen Zeitalters“ aber durch die meisterlichen und atemberaubenden Bildwelten von Cyril Pedrosa. Der Franzose hat sich nicht nur einen Namen durch seine eigenwilligen, visuell dichten Graphic Novels wie „Portugal“ oder „Jäger und Sammler“ gemacht, sondern sich in der Vergangenheit auch als Charakter-Designer für die Disney-Studios verdingt, unter anderem für die Trickfilm-Fassung des „Glöckner von Notre Dame“.

Der Bildsog, den das finstere Märchen erzeugt, resultiert aus der geschickten Verschmelzung dieser beiden Tugenden. Während die handelnden Figuren ganz offen ihre Inspiration durch klassische Disney-Trickfilme zur Schau stellen, mit reduzierter Form und ausdrucksstarker Mimik, unterbrechen fieberhaft-expressionistische Landschaften und bizarr-stimmige Farbkombinationen diese Gefälligkeit.

Ein atmosphärischer Fantasy-Leckerbissen, der im zweiten Band aber noch etwas erzählerische Eigenständigkeit und eine ordentliche Portion giftigen Biss vertragen könnte, um zu der prachtvollen Optik aufschließen zu können.