Mini-Retro-Konsolen sind echte Verkaufsschlager. Nintendo, Sega, Atari und viele weitere, Traditionshersteller elektronischer Spiele verdienen gut an den nostalgischen Gimmicks. Tatsächlich befindet sich im Plastikgehäuse aber nie eine verkleinerte Variante der Originalhardware, sondern schlummern immer bloß kleine Computersysteme unter der Haube, die eine begrenzte Auswahl beliebter Spieleklassiker „emulieren“. Gerade ältere Systeme mit 2D-basierten Spielen können selbst mit spartanischer Computer-Hardware oft schon in amtlicher Geschwindigkeit nachempfunden werden. Wer sich diesem Hobby intensiver widmet, der stellt schnell fest, dass es zwar deutlich kompliziertere, dafür aber auch drastisch vielfältigere Möglichkeiten für die nerdige Zeitreise gibt.

Im Größenvergleich mit einem klassischen Original-GameBoy

Allen voran ist hier natürlich von „Retropie“ die Rede, einem Software-Paket, das aus den extrem günstigen Raspberry-Pi-Minirechnern frei konfigurierbare Retrokonsolen macht, die viel mehr Systeme und Spieletitel bieten können, als die offizielle Stangenware. Ein limitierender Faktor ist dabei, dass man die Spiele zuvor natürlich im Original besitzen und über eine technische Möglichkeiten verfügen muss, sie als eine kopierbare ROM-Datei auszulesen, zum Beispiel mit eigens dafür entwickelten Produkten des Herstellers Retrode. Von illegalen, raubkopierten ROM-Dateien aus dem Internet raten wir ganz ab und wünschen auch keine entsprechende Diskussion auf unseren Social-Media-Kanälen. Abgesehen von rechtlichen Konflikten besteht in solchen Fällen auch häufig die Gefahr, seinen Rechner mit Viren oder andere Schadsoftware zu infizieren.

Um solchen „Retropie“-Projekten den letzten, optischen Pfiff zu geben hat sich vor allem die Firma „retroflag“  extrem ins Zeug gelegt. Optisch und haptisch extrem überzeugende Raspberry-Pi-Gehäuse, die ein Nintendo NES, ein Super Nintendo oder ein Sega Mega Drive nachempfinden sind echte Verkaufsschlager und unter Retrobastlern häufig die Referenz für die Selbstbau-Spielsysteme.

Das Display des GPi-Case ist exzellent

Mit dem GPi-Case wagt der Anbieter nun einen echten Vorstoß, da erstmals nicht nur eine Alternative zu einem zuvor offiziell veröffentlichtem System angeboten wird, sondern mit dem Nintendo Game Boy eine Hardware nachempfunden wird, die von ihrem Hersteller bislang noch keine amtliche Nostalgie-Zuwendung erhalten hat. Und tatsächlich bietet der leicht verkleinerte Game Boy eine erstaunlich wertige Optik und Haptik. Neben dem kompakteren Formfaktor fallen Spieleveteranen vier zusätzliche Buttons und ein etwas breiteres Display auf. Die Montage des Gerätes ist ziemlich einfach, ein mitgelieferter Handzettel macht die wenigen, notwendigen Handgriffe eigentlich ziemlich deutlich. Apropos mitgeliefert: Nicht im Lieferumfang enthalten sind der benötigte Raspberry Pi Zero, eine Micro-SD-Karte oder die drei AA-Batterien, die für den sicher erwünschten Mobilbetrieb unerlässlich sind. Insgesamt kommt man so auf erstaunlich übersichtliche rund 100€ für einen Retropie-Handheld, der neben klassischen Game Boy Titeln auch problemlos und flüssig Titel für das Nintendo NES oder das Sega Mega Drive auf das knackscharfe und für den Preis erstaunlich gute Display zaubert. Die entsprechende Image-Datei funktioniert aber nicht gleich nach der Installation. Zuvor muss noch ein Patch aufgespielt werden, dass Sound und Videoausgabe in die richtigen Kanäle des Frankenstein-Handhelds lenkt.

Klar muss aber auch sein, dass der in der fertigen Konsole zum Einsatz kommende Pi Zero deutlich weniger Power unter der Haube hat, als sein großer Bruder, der überwiegend für stationäre Projekte genutzt wird. Spiele für viele andere Systeme, darunter das Super Nintendo oder der Game Boy Advance laufen häufig entweder nicht ganz flüssig oder erfordern zumindest langwierige Feinjustierungen, teilweise gar für einzelne Spiele. Das ist aber selbstverständlich nicht die Schuld des GPi-Case. Angenehme Druckpunkte, ein weiter Blickwinkel für den Bildschirm und eine zugegeben noch etwas optimierungsfähige Batterielaufzeit von circa drei Stunden sorgen für amtlichen Spielspaß, wenn der entsprechende Titel ordentlich konfiguriert und auf der verbauten Hardware flüssig lauffähig ist. 

Auch Segas Igel-Maskottchen macht auf dem Selbstbau-Gameboy eine gute Figur

Den Traum vom eigenen „Game Boy Classic“ können sich Spiele-Nerds nun also zu einem fairen Kurs selbst erfüllen. Zwingende Voraussetzung sind dabei aber Spaß und Ausdauer an und bei der Konfiguration des Retropie-Systems, die gerade Anfängern auf dem Gebiet der Emulation einiges an Einarbeitungszeit und Lektüre abverlangen wird. Wer an solchen Software-Basteleien aber seine Freude hat, für den ist es ein absolut lohnenswertes Unterfangen. Und das GPi-Case ist nicht nur das beste, bislang erhältliche Fertig-Handheld-Gehäuse für Retropie-Systeme, sondern wird mit seinen knapp 70 US-Dollar (etwa 63€) zu einem wirklich fairen Kurs gehandelt. Nun bleibt nur noch zu hoffen, dass retroflag der extrem hohen Nachfrage bald gerecht wird. Die erste Charge war in Windeseile vergriffen.

GPi-Case. Hersteller: Retroflag. Preis:  Umgerechnet etwa 65€. Erhältlich über die HOMEPAGE VON RETROFLAG