Seine Reihe „Preacher“ wurde bereits als Serie verfilmt, die Superhelden-Parodie „The Boys“ steht für Amazon Prime Video in den Startlöchern, den Punisher hat er jahrelang auf seinem Rachefeldzug begleitet und nun erscheint die neue Horror-Comic-Reihe „A Walk Through Hell“ von Autor Garth Ennis. Zu diesem Anlass durfte Andreas ein Text-Interview mit ihm führen. Wie gewohnt haben wir alles für euch übersetzt. Wer das englische Original lesen möchte, muss nur ein wenig runter scrollen.

Viel Spaß beim Lesen!

Du schreibst seit 30 Jahren Comic-Geschichten. Wie hat das alles für dich angefangen? Wie bist du dazu gekommen, Comics zu schreiben und nicht Romane, Drehbücher oder Theaterstücke?

Ich schickte meine Ideen an britische Comics wie „Crisis“ und „2000AD“ und bekam meinen ersten Job an meinem 19ten Geburtstag. Das brachte alles ins Rollen. Ich war sehr an dem interessiert was in den 80ern in der Comic-Szene los war. Bestseller wie „Watchmen“, „Dark Knight“ und „Maus“ inspirierten zu vielen verschiedenen faszinierenden Geschichten. Es schien so viel Potenzial zu geben (vieles davon bis heute nicht ausgeschöpft) – es war eine wunderbare Zeit. Vor allem mit Alan Moore, der Dinge tat, die niemand jemals für möglich gehalten hätte. Ich mochte schon immer Comics, es passte also alles gut zusammen.

Hat sich deine Herangehensweise im Laufe der Jahre viel verändert? Gehst du heute ganz anders ans Schreiben heran, als noch vor vielen Jahren?

Meine grundlegende Arbeitsmethode hat sich stetig weiterentwickelt, ohne sich dramatisch zu ändern. Darüber hinaus habe ich wahrscheinlich eine dunklere und zynischere Weltanschauung als je zuvor – es gibt dort eine Art Evolution der Grimmigkeit, vom relativ heroisch/ikonischen „Preacher“ bis zum viel dunkleren „Crossed“, „The Boys“ and „A Walk Through Hell“.

Gibt es Comic-Bücher anderer Autoren, die du gerade liest und die dich vielleicht sogar beeinflussen?

Ich lese alles von Alan Moore – die letzte Ausgabe von „Providence“ ist einer der besten Comics, die ich je gelesen habe. Ich bin ein großer Fan von Brian Vaughan. Genau so wie von Si Spurrier und Rob Williams.

Wenn Garth Ennis auf dem Cover steht, erwartet man übertriebene Gewalt, vulgäre Sprache und schwarzen Humor. Hast du das Gefühl, dass du all diese Dinge deinen Fans schuldig bist?

Das sind genau die Sachen, an die ich nie denke. Ich erzähle jede Geschichte so, wie sie meiner Meinung nach erzählt werden sollte.

Du hast während deiner Karriere mit vielen verschiedenen Illustratoren zusammengearbeitet. Was ist dir bei dieser engen Zusammenarbeit besonders wichtig?

Gutes Storytelling ist von größter Bedeutung. Gute Charakterarbeit auch. Genauso die Fähigkeit, mit Action, Humor und Emotionen umzugehen. Vor allem aber die Fähigkeit, sich in das Drehbuch hineinzudenken – zu verstehen, warum sie zeichnen, was sie zeichnen und zu antizipieren, was als Nächstes kommt. Wie ein Schauspieler, der eine Rolle spielt.

„Preacher“ und „The Boys“ wurden beide als Original-Fernsehserie adaptiert. Freust du dich, dass deine Geschichten in anderen Medien zum Leben erwachen?

Sicher. Das ist immer interessant, und macht mein Leben wesentlich einfacher. Außerdem verkaufen sich dadurch mehr von meinen Büchern.

AMCs Adaption von „Preacher“ verwendet die Comics so weit wie möglich als Vorbild und erzählt dennoch eine völlig eigenständige Geschichte. Wird dies auch bei „The Boys“ der Fall sein oder haben die Regisseure sich enger an deine Geschichte gehalten?

Ich denke, es ist etwas näher, aber es gibt auch eine Menge Divergenz.

Deine aktuelle Arbeit „A Walk Through Hell“ wird in Kürze in Deutschland bei „Cross Cult“ veröffentlicht. Die Serie markiert deine Rückkehr zum Horror-Genre – mit „Hellblazer“ hast du dich diesem Genre schon einmal, sehr erfolgreich, gewidmet. Hast du einen ähnlichen Ansatz gewählt, um den Horror zu erschaffen, wie damals?

Ich denke, der Hauptunterschied liegt in den Hauptfiguren. Constantin ist selbst ein Magier, er ist ein Teil dieser Welt – während Shaw und McGregor ihr fremd sind (und entsprechend leiden). Beide teilen dieselbe Art urbanen Horror, im Gegensatz zu der eher zombiehaften Hordengeschichte von „Crossed“.

In Werken wie „The Boys“ oder „Preacher“ werden die Umstände und Regeln der Welt, in der sich die Protagonisten bewegen, schnell deutlich. In „A Walk Through Hell“ erkundet der Leser zusammen mit den beiden FBI-Agenten die Gegebenheiten der Realität. War es dir wichtig, dass es so passiert?

Du sprichst hier von zwei sehr unterschiedlichen Arten von Geschichten. „A Walk Through Hell“ sieht die Protagonisten im Wesentlichen in einer Welt außerhalb ihrer Kontrolle gefangen. Jesse Custer und Billy Butcher identifizieren beide ein Problem mit der Welt in der sie leben und machen sich daran es zu lösen.

„A Walk Through Hell“ beschäftigt sich im ersten Band mit Alltags-Rassismus. Wie bist du auf die Idee gekommen, dieses Problem in den Alltag der Protagonisten einfließen zu lassen? Es hätten ja auch Geld- oder Beziehungsprobleme sein können.

A Walk Through Hell“ ist ein Produkt seiner Zeit und Rassismus – im Alltag oder anderweitig – steht momentan im Mittelpunkt.

Dein deutsches Publikum wird bald „A Walk Through Hell“ lesen können. Möchtest du ihnen etwas mit auf diese Reise geben?

Ein Ratschlag könnte sein, nicht der Verzweiflung nachzugeben. Das könnte ein Licht da vorne sein. Es könnte der Ausweg sein oder etwas absolut Schreckliches.

Darf ich fragen, woran du gerade arbeitest? Können wir erwarten, in naher Zukunft wieder etwas Neues von dir in unseren Händen zu halten?

Ich bin mir nicht ganz sicher, was in Deutschland veröffentlicht wurde und was nicht, aber von meiner jüngsten Arbeit bin ich sehr zufrieden mit „Johnny Red“, „Code Pru“, „Jimmy’s Bastards“, „Out Of The Blue“ und – wahrscheinlich meine absolute Favoritin – „Sara“. Als Nächstes gibt es zwei neue Punisher-Storys, eine letzte „Crossed“, ein weiteres geheimes Projekt von Avatar und einen grafischen Weltkrieg-Roman namens „The Stringbags“.

Vielen Dank für das ausführliche Interview.


English version:

You’ve been writing stories for comic-books for 30 years. How did it all start for you? How did you come to write comics and not novels, scripts or theatre plays?

I was sending off ideas to British comics like Crisis and 2000AD, and I got my first job on my 19th birthday. It all snowballed from there. I was very interested in what was going on with comics at the time; 80s bestsellers like Watchmen, Dark Knight and Maus were inspiring all manner of fascinating material. There seemed to be so much potential (much of it still unrealized today)- it was a wonderful time, with Alan Moore in particular doing things that no one had ever imagined possible. I’d always liked comics, so they were a pretty natural fit for me.

Has much changed for you over the years? Do you approach writing in a completely different way today than you did many years ago?

My basic method of working has developed steadily without changing dramatically. Beyond that, I probably have a darker and more cynical worldview than ever before- there’s a kind of evolution of grimness there, from the relatively heroic/iconic Preacher to the much darker Crossed, The Boys and A Walk Through Hell.

Are there comic-books by other authors that you are currently reading and that might even influence you?

I read anything Alan Moore does- I thought the last issue of Providence was one of the best comics I’ve ever read. Brian Vaughan I’m a big fan of. Also like Si Spurrier and Rob Williams.

When Garth Ennis is on the cover, one can expect mostly exaggerated violence, vulgar language and black humor. Do you feel like you owe all these things to your fans?

Those are exactly the terms I never think in. I just tell each story the way I think it should be told.

You have worked with many different illustrators during your career. What is particularly important to you for these close collaborations?

Good storytelling is paramount. Good character work, too. Ability to handle action, humor and emotion. Above all, an ability to think their way into the script- to understand why they’re drawing what they’re drawing, and anticipate what will come next. Like an actor playing a role, in other wards.

“Preacher” and “The Boys” have both been adapted as original television series. Are you happy to see your stories come to life in other media?

Sure. Always interesting, and makes my life significantly easier. And sells more of my books.

AMC’s adaptation of „Preacher“ uses the comics as a model as far as possible and still tells a completely independent story. Will this also be the case with „The Boys“ or have the directors kept close to your story?

I think it’s a little closer, but there’s a good deal of divergence, too.

Your recent work „A Walk Through Hell“ will soon be published in Germany by „Cross Cult“. The series marks your return to the horror genre – with “Hellblazer“ you already dedicated yourself to this genre once, very successfully. Do you have a similar approach to crafting horror now as you did then?

I think the main difference there is in the lead characters. Constantine is a magician himself, he’s very much of that world- whereas Shaw and McGregor are strangers to it (and suffer accordingly). Both share a kind of low key, urban horror, unlike the more zombielike horde story of Crossed.

In works such as „The Boys“ or „Preacher“, the circumstances and rules of the world in which the protagonists move are quickly made clear. In „A Walk Through Hell“ the reader, together with the two FBI agents, determine the realities of the world. Was it important for you that this should happen?

You’re talking about two very different kinds of story there. A Walk Through Hell sees the protagonists essentially trapped in a world beyond their control; Jesse Custer and Billy Butcher both identify a problem with the world they live in and set out to solve it.

„A Walk Through Hell“ deals with everyday racism in the first volume. How did you come up with the idea to let this problem flow into the everyday life of the protagonists? It could have been money or relationship problems, for example.

A Walk Through Hell is very much a product of its time, and racism- everyday or otherwise- is front and centre right now.

Your German audience will soon be able to read “A Walk Through Hell”. Would you like to give them something to take along their journey?

Try not to give in to despair, might be one piece of advice. That could be a light up ahead. It could be the way out. Or it could be something absolutely awful.

May I ask what you’re currently working on? Can we expect to have something new in our hands in the near future?

I’m not exactly sure what’s been published in Germany and what hasn’t, but of my recent work I’m very pleased with Johnny Red, Code Pru, Jimmy’s Bastards, Out Of The Blue and- probably my all-time favourite- Sara . Coming up there are two new Punisher stories, one last Crossed, another secret project from Avatar, and a WW2 graphic novel called The Stringbags.

Thank you very much for the detailed interview.