Heilige Ravioli! Wer in den späten Achtzigern oder frühen Neunzigern am Samstagmorgen einen Blick auf den noch jungen Privatsender RTL Plus warf, der konnte dort eine Vielzahl oft erstaunlich hochwertiger Trickserien bewundern, die in Amerika naheliegender Weise retrospektiv als „Saturday Morning Cartoons“ bezeichnet werden. Diese charmant-naiven Kinderserien dienten häufig dem Zweck neues Spielzeug zu bewerben. Sie sollten Figuren wie den „Masters of the Universe“ oder den heute durch die Bay-Spielfilme bekannten „Transformers“ einen Hintergrund, eine Story zu geben und sie so zu mehr zu machen, als nur simplen Plastikfiguren. Zu dieser Zeit gab es selbstredend auch bereits Videospiele und insbesondere die Firma Nintendo erfreute sich bei der jungen Zielgruppe wachsender Beliebtheit. Damals waren elektronische Spiele aber nicht das Massenphänomen, dass sie heute sind. Auch die technischen Möglichkeiten ließen nicht oder nur schwer zu, dass man mit einer Handvoll bunter Pixel eine komplexe, interessante Geschichte erzählen könnte. Also sollten auch Nintendo-Helden ihre eigenen Cartoons bekommen, die der noch etwas abstrakten Darstellung zu mehr erzählerischer Tiefe verhelfen. Neben „Super Mario“ und Link, dem Helden aus dem erfolgreichem Abenteuer „The Legend of Zelda“ bot eine eigens für die Serie entwickelte Figur namens „Captain N“ die Möglichkeit noch weitere, weniger populäre Spielehelden wie „Kid Icarus“ oder „Mega Man“ in einem lustigen Crossover vorzustellen.

Dieses Dreigestirn der Nintendo-Cartoons geriet in Vergessenheit, denn die hinzugedichteten Aspekte des Kreativteams der Serie passen nicht zu den modernen Geschichten, die Nintendo selbst mit seinen Figuren zu erzählen begann, als später die technischen Möglichkeiten dafür vorhanden waren. Ein simples Beispiel: Der slapstickartige, flapsige US-Humor der Zelda-Cartoons gibt überhaupt nicht wieder, wie ernst und düster sich spätere Interpretationen der Serie auf der einen Seite präsentierten und wie japanisch-animelastig der je nach Titel ausgeprägtere oder dezentere Humor ausfiel. „König Koopa“, wie Marios Erzfeind zunächst auch im ersten Videospiel noch hieß hatte noch ein anderes Erscheinungsbild, ein anderes Farbschema. „Captain N“-Charaktere wie der Castlevania-Held „Simon Belmont“ oder Capcom-Maskottchen „Mega Man“ wurden von ihren Erfindern deutlich ernster und düsterer weitererzählt, als die überwiegend fröhlich-beschwingte Trickserie sie interpretierte. All diese Abweichungen führten dazu, dass die Cartoons in der Gunst des Publikums sanken und irgendwann aus der Erinnerung vieler Zuschauer verschwanden, die das knallbunte Treiben einst mit Teddybär und Cornflakes auf dem Sofa des Elternhauses bewunderten.

Man weiß nicht genau, warum in der großen Retrowelle der letzten Jahre kein großer deutscher Verlag auf die Idee kam, diese Schätze zu heben und heute erwachsenen Nostalgiejägern zugänglich zu machen. Aber es ist gut, dass der kleine Film- und Hörspielverlag Pidax-Film sich liebevoll darum kümmert. Auch wenn man sich als Fan sicher einen technisch zeitgemäßeren Release auf Bluray-Disc gewünscht hätte, muss man fairer Weise sagen, dass die ordentlich aufbereitete aber noch immer ihrer Zeit entsprechende Bild- und Tonqualität auch gar kein besseres Medium als DVD benötigt hätte. Um weniger Discs wechseln zu müssen hätte es vielleicht Sinn gemacht, aber sicher den Preis auch unverhältnismäßig angehoben. Also ist diese Entscheidung schon okay so, auch wenn sie erstmal seltsam anmutet.

Das Kernstück der komplett bei Pidax erschienenen Serien sind sicher die insgesamt vier Doppel-DVD-Boxen der „Super Mario Bros Super Show!“, die mit einem Wendecover ausgestattet sind, um die hübschen Titelmotive auf Wunsch auch ohne unschönes FSK-Logo zu zeigen.

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Bei den inklusive Specials insgesamt 59 Folgen werden die bunten Cartoon-Episoden die mit professionellen Sprechern und reichlich Soundeffekten aus den alten NES-Spielen aufwarten stets durch herrlich alberne Sitcom-Episoden an- und abmoderiert, bei denen echte Schauspieler in die Rollen der beiden Klempner schlüpfen und häufig Unterstüzung von Achtziger-B-Prominenz wie Horror-Diva Elvira oder WWF-Wrestler Sergeant Slaughter bekommen. Die nicht chronologisch verlaufenden Trickfilm-Episoden schicken Mario und seine aus den Spielen bekannte Freunde und Feinde in alternative Szenarien wie den wilden Westen, den fernen Orient oder das sagenumwobene „Cramalot“. Darüber hinaus ebenfalls bei Pidax erhältlich sind die Nachfolgeserien „Super Mario Bros 3“ sowie „Super Mario World“, das im Doppelpack mit der dritten Staffel von „Captain N“ erhätlich ist, diese wurden für diesen Artikel aber nicht gesichtet.

Letztere Serie ist inhaltlich und erzählerisch auch aus heutiger Sicht vermutlich noch am interessantesten. In der insgesamt drei Staffeln umfassenden Serie gelangt der Junge Kevin durch ein mysteriöses Phänomen in das Königreich der Videospiele, das er fortan mit der Prinzessin des Reiches und den Titelhelden einiger Nintendo-Spiele gegen die böse „Mother Brain“ verteidigt, ihres Zeichens Endgegnerin der spielbaren Scifi-Saga „Metroid“. Anders als bei den anderen beiden Cartoon-Abenteuern verfügt „Captain N“ über einen Verlauf, der Auswirkungen auf die nächsten Folgen hat, eine Chronologie bei der Charaktere hinzukommen oder sogar zeitweise die Seiten wechseln. Durch die zahlreichen Anspielungen auf viele verschiedene Spieletitel bietet der Nintendo-Kapitän zudem auch die meiste Abwechslung und ist so auch ohne entsprechenden Nostalgiebonus wohl noch die heute sehenswerteste der drei Serien.

Nichtsdestotrotz hat „The Legend of Zelda“ wohl eine Sonderstellung in der Riege der Nintendo-Cartoons.

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Die mit nur einer Doppelbox kompakteste Reihe weicht sehr weit von der Stimmung ab, in die sich ihre ursprüngliche Spielewelt später entwickelte. Das ist kein Wunder, da sich die detaillierte Fantasy-Welt natürlich dazu aufdrängt zum Beispiel in Manga episch ausgebreitet und erweitert zu werden. Auch die Spiele selbst wurden im Laufe der Jahrzehnte immer cineastischer und epischer präsentiert und so bietet sich natürlich auch die größte inhaltliche Diskrepanz zwischen Zelda-Cartoon und der popkulturellen Mythologie, die Fans der Reihe heute kennen. Das bedeutet aber nicht, dass man nicht auch als Fan viel Spaß mit den gut drei Stunden Trickfilm-Erzeugnis haben kann. Man muss sie dazu nur als die skurill-spaßige Alternativwelt sehen, die sie eben sind.

Insgesamt merkt man den Pidax-Releases an, dass sich sauberes Layout, schöne, moderne Artwork-Aufbereitungen als Covermotive und durchgängige Buchrückengestaltung an Sammler richten, die bekanntlich ein penibler Schlag Mensch sind. Von Hightech-Ansprüchen, denen so altes Material gar nicht gerecht werden könnte einmal abgesehen merkt man der DVD-Sammlung an, dass hier Sammler und Nerds ein sauberes, liebevolles Produkt für Sammler und Nerds gestaltet haben. Und das haben sie klasse gemacht.


Die Super Mario Bros. Super Show! – Gesamtedition, vier DVDs, 39,90 Euro, Erschienen bei PIDAX

Captain N – Der Game Master – Gesamtedition, drei DVDs, 44,90 Euro, Erschienen bei PIDAX

The Legend of Zelda, eine DVD, 15,90 Euro, Erschienen bei PIDAX