Am Ende der Welt wie wir sie kennen verdingt sich Sam Porter Bridges (verkörpert von „The Walking Dead“-Star Norman Reedus) seinen Lebensunterhalt als postapokalyptischer Paketbote. Die menschlichen Siedlungen sind alle weit voneinander entfernt und die wunderschöne, nahezu unberührte Landschaft dazwischen lässt nicht vermuten, dass tödliche Gefahren wie zeitbeschleunigender Regen oder seltsame Geistwesen, die BTs, Sams Leben jederzeit ein jähes Ende bereiten könnten. Er selbst kann zunächst diese pechschwarzen Schreckgespenster gar nicht sehen, sie nur spüren. Doch als er sich im Namen Amerikas aufmachen soll, um die Siedlungen wieder miteinander zu verbinden und der Zivilisation zu neuem Glanz zu verhelfen, steht ihm fortan auch ein Baby in einem Glaskanister zur Seite, dass die finsteren Kontrahenten sichtbar machen kann…

Klingt wild? Oh, das ist „Death Stranding“ auch. Kaum zu glauben, dass man ein so beachtliches Budget in das grafisch beeindruckende aber auch ungewöhnliche ruhige Abenteuer investiert hat und so Hollywood-Stars wie Reedus oder den neuen „Hannibal“-Darsteller Mads Mikkelsen anheuern konnte. Die vielen kruden Ideen, das extrem langsame Erzähltempo und der für einen Mainstream-Titel beachtlich reduzierte Action-Anteil schreien eigentlich nach einer deutlich kleineren Zielgruppe, als man mit Baller-Blockbustern wie „Call of Duty“ oder „GTA“ erreichen kann. Und somit eigentlich auch nach deutlich geringerer Investition in die Ausgestaltung.

Warum man nun doch so viel Geld in das eigenwillige Arthouse-Spiel gesteckt hat? Weil sich hinter Entwickler „Kojima Games“ kein Geringerer als Star-Designer Hídeo Kojima steckt, der Generationen von Spielern mit seiner extrem eigenwilligen aber auch atmosphärisch sehr dichten Spionage-Reihe „Metal Gear Solid“ begeistert. Viele der Tugenden seines Aushängschildes finden sich auch in „Death Stranding“ wieder. Reichlich beeindruckende Technik-Gadgets wirken, als könnten sie tatsächlich morgen oder übermorgen bei Tessla vom Band laufen und die Animé-esque überspitzten Charaktere verheddern sich wieder und wieder in esoterisch-philosophische Sinnfragen, die dringend notwendig sind um sich einer der zahlreichen Interpretationsmöglichkeiten auch nur anzunähern, was zum Teufel und Kojima hier eigentlich sagen möchte.

Death Stranding“ ist im Grunde ein Rohrschachtest für Gamer. Wer sich im Grunde schon vor dem Spiel an den weitläufigen Wanderungen und den undurchsichtig-versponnenen Dialogen des auf Hochglanz polierten Kunstwerks stört, der wird vermutlich auch im Verlauf des Spiels nicht viel Freude daran haben. Wer aber künstlerisch gewagten Experimenten gegenüber aufgeschlossen ist und endlich mal etwas Besonderes, Eigenständiges und Ungewohntes spielen möchte, dass nicht aus einer kleinen Indie-Schmiede entstanden ist und deshalb auf pixelige Retro-Optik setzt, für den führt kein Weg an Kojimas Herzensprojekt vorbei. Insbesondere Freunde psychedelisch-philosophischer Science-Fiction-Comics werden ein paar Freudentränchen bei der ausführlichen, zwischen vierzig und fünfzig Stunden umfassenden Story nicht verkneifen können.

Was die Präsentation, die Authentizität der Spielewelt und die Auswahl des extrem stimmungsvollen Soundtracks (unter anderem von den Metalcore-Heroen „Bring me the Horizon“ angeht wird Kojima aber so bald niemand etwas vormachen.


DEATH STRANDING, Publisher: Sony Computer Entertainment. Developer: Kojima Games. ca. 69,99 Euro, Verfügbar für: Playstation 4