Auf eine nüchterne Inhaltsangabe heruntergebrochen klingt der Plot des neuesten Streichs aus der Werkstatt von Claudya Schmidt erstmal nicht besonders spektakulär. Ein Hasenjunges, ein zukünftiger Chronist und Poet der magischen Welt von Yria durchlebt einen aufregenden Traum voller angsteinflößender, erschreckender aber auch wundervoller Momente.

Eingerahmt von den kurzen aber auch „ältesten Textüberlieferungen“ aus der „Legende von Yria“ kommt der atemberaubend aufwändig bebilderte Traum-Trip beinahe völlig ohne Worte aus. Das hat nie zuvor bei einem Comic so viel Sinn gemacht, wie hier. Denn bereits in der ersten Veröffentlichung aus Schmidts Fantasy-Saga, „Myre“ konnten vor allem der extrem hohe Detailgrad und die bemerkenswerte Ausdrucksstärke ihrer tierischen Helden vielen Lesern und Kritikern offene Münder bescheren. Völlig ohne Dialog ist nun nicht nur die Künstlerin „gezwungen“, noch viel mehr Bedeutung in die Gesichter und die Körpersprache ihrer Kreaturen zu legen. Für den Leser bedeutet das auch ein unvergleichliches Erlebnis, wenn die großformatigen, farbenfrohen Seiten trickfilmartige, dynamische Sequenzen vor seinen Augen zelebrieren.

Qualitativ kann sich das Langohren-Abenteuer dabei ohne Übertreibung mit den großen Produktionen des Animationskinos messen, das muss und will „Haunter of Dreams“ aber gar nicht. Allerhöchstens vielleicht mit den stimmungsvollen Pixar-Kurzfilmen, die den Kreativen des Studios viel mehr erzählerische Freiräume bieten, als die kostspieligen Kinofilme, die ein möglichst breites Publikum erreichen müssen, um auch bloß genug Geld einzuspielen.

So viel Freude und Staunen die beiden „Myre“-Bände auch gespendet haben mögen: „Haunter of Dreams“ ist eine Klasse für sich und zeigt eindrucksvoll, was uns in weiteren Kapiteln der Saga noch bevorstehen könnte. Das ausführliche Nachwort der Künstlerin macht zudem deutlich, in wie feine Verästelungen sie ihre eigene Welt bereits hundert mal in Gedanken durchgespielt haben mag, wie bewusst sie sich über jeden Stein, jeden Grashalm und jedes einzelne jemals in Yria gesprochene Wort ist. Und was für ein extrem persönliches Werk hier gleichzeitig auch entstanden ist. Diese Leidenschaft merkt man jedem einzelnen Strich von „Haunter of Dreams“ an. Immer wieder.


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HAUNTER OF DREAMS: Die Legenden von Yria, Autorin & Künstlerin: Claudya Schmidt, 96 Seiten, Hardcover, 19,80 Euro, Erschienen bei SPLITTER

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