DAIDALOS (Bd.1)

Brian ist ein Sonderling, davon sind seine Freunde überzeugt. Er verbringt seine Freizeit gerne damit, seinen skurrilen Tagträumen nachzuhängen und diese zeichnerisch festzuhalten. Darin geht es um fliegende Wesen, deren Struktur an ein Gehirn erinnern, denen Tentakel wachsen. Wenn er gerade keinen Zeichenstift in der Hand hält, dreht er mit seinem Kumpel Jimmy Low-Budget-Horror-Streifen. In ihrem neusten Film soll die gleichaltrige Laurie die Hauptrolle übernehmen. Brian ist ganz verzaubert von ihr und weiß nicht so recht, wie er sich ihr annähern soll. Sie fühlt ähnlich und sucht die Aufmerksamkeit des schüchternen Nerds.

Im ersten Moment könnte man hinter dem Titel „Daidalos“ wohl eher eine Auseinandersetzung mit der griechischen Mythologie vermuten. Aber wie schon die Inhaltsangabe zeigt, bekommt der Leser hier stattdessen eine „Coming of Age“-Story serviert. Dass sich Ausnahmekünstler Charles Burns dieses Themas annimmt, dürfte seine Fans wenig wundern. Schon im Jahr 1995 veröffentliche der Amerikaner den ersten Teil seines bisher erfolgreichsten und inzwischen längst abgeschlossenen Werkes „Black Hole“. Auch darin beleuchtet er eine Gruppe heranwachsender Jugendliche. Darüber hinaus teilen sich die beiden Werke auch den Horror-Aspekt. Nur dass es in „Daidalos“, bisher zumindest, deutlich subtiler zugeht. Der Gruselfaktor zeigt sich hier vor allem in den abgefahrenen Fantasien des Protagonisten oder in alten Super-8 Filmen welche die Jugendlichen zum Zeitvertreib schauen. Schnell kommt der Verdacht auf, dass der künstlerisch begabte Filmfan „Brian“ auf Burns selbst beruht und er so einen kleinen Teil seiner eigenen Jugend verarbeitet hat.

In diesem Band lernt man vordergründig die Figuren kennen und erfährt viel über deren Persönlichkeiten und Beziehung zueinander. Das Ganze ist ein wunderbares Fundament, welches das Potenzial für eine tiefgreifende Story birgt. Der Wechsel zwischen Realität und Fantasie in Kombination mit dem außergewöhnlichen Artwork schafft es, in kürzester Zeit eine Sogwirkung aufzubauen. Es ist fast unmöglich das Buch aus der Hand zu legen, bevor man nicht auf der letzten Seite angekommen ist. Hoffentlich lässt die Fortsetzung nicht zu lange auf sich warten.