Wir schreiben das Jahr 1927. Noemie und Emilien sind 14 Jahre alt und leben mitten in Großbritannien, besser gesagt leben sie in einem riesigen Baumhaus auf dem Anwesen von Noemies Familie. Die beiden Wunderkinder haben dort genug Freiraum, um ihren erfinderischen Eltern nachzueifern. Sie bauen kleine und größere Apparaturen, um ihren Alltag zu erleichtern. Darin sind beide einsame Spitze und schaffen es selbst die größten Ingenieure bloßzustellen. Kurz nachdem sie von ihrem letzten Abenteuer beim Jules-Verne -Wettbewerb (siehe Erster Zyklus) wieder zurückkehrten, taucht der Assistent von Emilies Vater Terence auf. Sie sollen den leidenschaftlichen Sammler und ehemaligen Gangsterboss Al Capone dabei unterstützen, gegen die Achsenmächte vorzugehen, denn der Erste Weltkrieg ist noch im vollen Gange.

Eines offenbart schon die Inhaltsangabe: Die Story spielt in einer alternativen Steampunk-Welt mit allerhand Maschinen, Fortbewegungsmitteln und Robotern. Auch historisch hat das Team aus Autor Denis-Pierre Filippi und Künstler Silvio Camboni einiges neu sortiert. Der Erste Weltkrieg dauert an und die Nationalsozialisten mischen sich in das Geschehen ein. So entsteht ein ungewöhnliches Setting, dass immer weiter ausgebaut und erkundet wird. Die Handlung selbst ist größtenteils sehr gradlinig und fast schon vorhersehbar, hält aber den ein oder anderen gut durchdachten Twist bereit. Wichtig zu wissen: Wer den ersten Zyklus nicht gelesen hat, sollte das nachholen, bevor er hier durchstartet. Ansonsten fehlen wesentliche Puzzleteile, da im Laufe der Erzählung auf bereits bekannte Figuren und Ereignisse zurückgegriffen wird.

Optisch ist dieses Buch eine absolute Wucht. Auffällig sind neben dem liebevollen Charakterdesign, die aufwändigen Landschaft- und Gebäude-Illustrationen. Vor allem die kräftige, effektvolle Kolorierung verleitet dazu, zwischendurch innezuhalten und die Bilder minutenlang zu bestaunen. Warum aber gerade die junge Protagonistin in einigen Szenen besonders körperbetont und mit einem tiefen Ausschnitt bedacht werden muss, bleibt ein Rätsel und wirkt mehr als unangebracht.

Die Tatsache, dass die Hauptfiguren zwei Heranwachsende sind in Kombination mit den fantasievollen, farbenfrohen Bildern, könnte vermuten lassen, dass sich dieses Werk vornehmlich an jüngeres Publikum richtet. Davon sollte man sich aber nicht täuschen lassen. Hinter dieser Fassade verbirgt sich ein Roadtrip, der Jung und Alt durchaus zu begeistern weiß. Wer nach diesem Genuss noch nicht genug bekommen hat, sollte auch einen Blick in Egmonts „Disney Hommage“-Reihe werfen. Dafür durfte das Kreativteam „Micky und der verlorene Ozean“ umsetzen, welches genau so bildgewaltig daherkommt wie „Eine außergewöhnliche Reise“.


Leseprobe


EINE AUSSERGEWÖHNLICHE REISE: Zweiter Zyklus, Autor: Denis-Pierre Filippi, Künstler: Silvio Camboni, 144 Seiten, Hardcover, 29,95 Euro, Erschienen im SPLITTER VERLAG