Mein älterer Sohn, aktuell dreieinhalb Jahre alt, beginnt sich für Geschichten zu interessieren. Selbstverständlich wird er wie alle Kinder magisch von TV-Geräten angezogen und lässt sich damit vortrefflich hypnotisieren und auf’s bequeme Abstellgleis stellen. Da Comics ein wichtiger Teil meines Lebens sind, möchte ich nun damit beginnen, dieses großartige Medium gleich zu Beginn auch in das Leben meiner Kinder zu integrieren. Mit handelsüblichen Kinder- und Vorlesebüchern klappt das schon ganz gut, man freut sich auf die allabendliche Vorlesestunde. Den Anfang haben wir nun gewagt, indem wir uns die insgesamt sechs Bände von „Dragons – Die Reiter von Berk“ angeschaut haben. Die kennt und liebt der Junior nämlich schon in Form von Filmen, Spielzeugen und Hörspielen. Da sollte der Einstieg doch leicht fallen und die sehr flüchtige Aufmerksamkeitsspanne des Jungen sich doch eigentlich ganz gut binden lassen, oder?

Was mir selbst als „Comickritiker“ gleich ins Auge fällt ist das klassische und liebevolle Handwerk, das man der Optik der Berk-Bücher gleich anmerkt. Ich erinnere mich an zahlreiche Comic-Adaptionen von Kinderserien und -Filmen, die aus abfotografierten Serienfolgen bestanden, in die jemand mit einem Grafikprogramm Sprechblasen gedübelt hat. Einfach nochmal mit minimalem Aufwand den schnellen Extra-Dollar generieren – Genervte Eltern kaufen ja scheinbar ohnehin jeden Mist, wenn’s mit dem Lieblingsviehzeug der kleinen Lieblinge zu tun hat.

Das ist hier anders. Ein schöner Stilmix aus amerikanischem Action-Comic und geschwungenem, europäischem Funny-Strich wird mit knalligen Farben garniert, die Kinderaugen sofort einfangen. Schön. Nur eine einzige Backup-Story fällt optisch sehr steil ab. Wenn sogar dem nicht mal Vierjährigen auffällt „Papa, das ist aber nicht so schön gemalt“, dann ist die Lage schon ernst. Schwamm drüber, waren nur ein paar Seiten am Ende eines Bandes.

Jeder der insgesamt sechs Bände, deren Handlung zwischen dem ersten und zweiten der insgesamt drei Kinofilme angesiedelt ist hat eine eigene, in sich abgeschlossene Handlung und baut dabei nie aufeinander auf. Die Alben können also in beliebiger Reihenfolge gekauft und gelesen werden, ohne das Wissenslücken entstehen. Die übersichtlich strukturierten und auch für junggebliebene Erwachsene spannenden Stories haben sogar neue Charaktere und Kreaturen, die Extra für diese Comic-Erweiterung des Berk-Universums erschaffen wurden und meistens dem hohen Standard der Dreamworks-Studios recht nahe kommen. Lediglich die große optische Ähnlichkeit zwischen Antagonist „Kapitän Fiske“ und Wikinger-Häuptling Haudrauf hat den Junior immer wieder etwas rätseln lassen.

Erfreulicher Weise folgen auch die Comics dem lehrreichen Kern der Filme und der Serie. Hicks und seine hier noch jungen Drachenreiter-Freunde lernen wichtige Lektionen über Eifersucht, Selbstvertrauen oder darüber aufeinander Acht zu geben. Ganz ohne erhobenem Zeigefinger und mit viel Charme können auch junge Kinder mit ein wenig Unterstützung und Anleitung durchaus diese Lehren nachvollziehen und auf eigene Beispiele übertragen. Wo wir gerade von Unterstützung sprechen: Als wahnsinnig hilfreich stellt sich das Vorlesen mit unterschiedlichen Stimmen heraus. Und wenn ich mit dem Finger auf die gerade sprechende Figur zeige. Das erzeugt beim Kind einen filmischen, theatralischen Eindruck, grenzt Charaktere besser voneinander ab, macht Dialoge eindeutiger und alle Beteiligten viel Spaß. Da der kleine Comic-Freund die Bücher tatsächlich auch immer wieder gemeinsam anschauen will (ein untrügliches Qualitätsmerkmal!), werden meine Imitationen von Haudrauf und Grobian aktuell auch immer besser.

Da es leider seit über zwei Jahren kein neues Comic-Abenteuer aus Berk gab, ist wohl nicht davon auszugehen, dass die Reihe noch weiter fortgesetzt wird. Zwanghafte Sammler wie ich erfreuen sich deshalb an dem noch durchaus zu bewältigendem Gesamtumfang der insgesamt sechs schön verarbeiteten Hardcover-Alben, die mit je knapp fünfzehn Euro trotz der großen Lizenz einen fairen und handelsüblichen Preis haben.

Die „Dragons“ schaffen einen tollen Spagat zwischen der für mein Empfinden auch für kleine Kinder ausreichend reduzierten Gewalt, liefern aber trotzdem genug Action, damit auch Eltern oder ältere Geschwister sich nicht langweilen. Die Stories fühlen sich an, wie bislang unveröffentlichte Serien-Specials und punkten mit ganz neuen Charakteren und spannenden Story-Konstellationen. Eine bedenkenlose Empfehlung für kleine und große Drachentrainer.


Leseprobe


DRAGONS: Die Reiter von Berk (Bd. 1-6),  Autor: Simon Furman, Künstler: Iwan Nazif, Jack Lawrence, je 64 Seiten, Hardcover, je 14,95 Euro, Erschienen bei CROSS CULT