Wann immer die Eltern der kleinen Alice wieder streiten vertieft sich das Mädchen in das Spiel mit ihrem Puppenhaus zurück, ein altes Familienerbstück. Die dort lebenden Puppen spenden ihr Trost und Freude, bieten ihr den Rückhalt, den sie in ihrer echten Familie nicht bekommt. Fast geht ein Traum in Erfüllung, als das Mädchen eine Möglichkeit findet, dieses Haus zu betreten und wirklich mit seinen Bewohnern zu sprechen und zu spielen. Ohne diese seltsame schwarze Tür wäre ihr der ganze Zauber nicht einmal unheimlich…

Trotz der nur soliden Zeichnungen aus der Feder von Peter Gross ist „Das Puppenhaus“ ein extrem starker und spannender Titel und stellt mühelos „Korb voller Köpfe“, die erste von ihm selbst verfasste Veröffentlichung in Joe Hills Horror-Reihe in den Schatten. Autor M.R. Carey spielt gekonnt mit bewährten Genre-Klischees, erschafft glaubwürdig motivierte Charaktere und schickt sie ins Feld gegen eine uralte, boshafte Bedrohung, die er durch verschiedene Zeitebenen und herrlich groteske Ideen greifbar und bedrohlich ausgestaltet. Die Waage zwischen menschlichem Drama und abscheulich-übersinnlichen Bedrohungen ist ganz ausgezeichnet gelungen und hält den Handlungsfaden immer ganz straff gespannt.

So konservativ bis abgedroschen Motive wie die zerrüttete Familie, das geisterhafte Spielzeug und die an klassische Horror-Comics erinnernden groben Tuschezeichnungen auch daherkommen mögen: Dieser Band ist ein wundervoll abgründiger Trip in einen uralten, bizarren Konflikt finsterer Mächte, der mehr als nur einmal an die Geschichten von Grusel-Papst und „Hellraiser“-Erfinder Clive Barker erinnert. Stimmungsvolle, nicht zu verspielte Farben die sichtlich durch die Arbeit des genialen Hellboy-Koloristen Dave Stewart inspiriert wurden, helfen den Zeichnungen dabei, sich dem extrem hohen Standard des komplexen und wendungsreichen Szenarios anzunähern. Ein starker Horror-Geheimtip!


DAS PUPPENHAUS, Autor: M. R. Carey, Künstler: Peter Gross, Vincent Locke, 164 Seiten, Softcover, 19,00 Euro, Erschienen bei PANINI