In den Trümmern einer modernen Zivilisation kämpft der junge NieR gemeinsam mit seiner todkranken Schwester um das nackte Überleben. Ihnen zur Seite steht ein unheilvolles Buch, das dem weißhaarigen Endzeitrecken schlagkräftige, magische Fähigkeiten verleiht. Zeitsprung. Anderthalbtausend Jahre später ist die Wüste aus Stahl und Beton einer primitiveren, mittelalterlichen Welt gewichen. Doch die Geschichte der beiden Geschwister scheint sich zu wiederholen…

Das Remake oder Remaster (die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen) des spätestens seit dem Siegesfeldzug seines Nachfolgers „NieR Automata“ kultisch verehrten Rollenspiels ist endlich erschienen. Und es schickt sich an, dessen Vorgeschichte in technisch überarbeiteter Fassung nun einem größerem, dem kunstvollem, eigenem und etwas trägem Spieldesign gegenüber aufgeschlossenem Publikum zu präsentieren. Fans der Vorlage wird freuen, dass eine höhere Auflösung, eine viel flüssigere Bildrate und eine zwar deutlich hübschere, in der heutigen Konkurrenz aber noch immer recht blasse und triste Optik den technisch angestaubten PS3- bzw. XBox360-Titel deutlich angenehmer spielbar machen.

Das ändert nichts daran, dass weite Laufstrecken, oft leere Areale und massig unsinnige und wenig atmosphärische Nebenquests nach den vielen, komplexen Rollenspiel-Epen der neueren Generationen eigentlich niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlocken. „NieR Replicant“ ist angestaubt, eingerostet und in vielen Dingen auch nach seiner dezenten Frischzellenkur einfach nicht mehr zeitgemäß. Die in vielen japanischen Popkultur-Erzeugnissen beliebte Praxis, weibliche Protagonistinnen nur sehr behelfsmäßig zu bekleiden muss man sicher nicht mögen, sie allein wäre aber nun gemessen an Genre-Standards eigentlich keine Erwähnung wert gewesen. Wenn man aber extra eine Trophäe konzipiert, die Spieler erhalten können, wenn sie einem später spielbarem weiblichem Charakter immer wieder unter deren Protest unter den Rock schauen, dann ist das schon vorsätzlich sexistischer Unsinn, der echt nicht nötig gewesen wäre.

Denn von diesen vielen augenscheinlichen Kritikpunkten abgesehen ist „NieR Replicant“ vor allem durch seine zwar sehr langsam anlaufende, aber überraschende, komplexe und von interessanten Charakteren getragene Story ein großartiges Spiel. Es gibt viele kurzweiligere, hübschere Action-Rollenspiele mit einem besseren Flow, gar keine Frage. Aber die Welt von „NieR“ erzeugt einen ganz eigene Faszination, die ein absolutes Alleinstellungsmerkmal ist. Auch der spielerische Abwechslungsreichtum mit seinen Platformer-Passagen oder Arcade-Shooter-Einlagen wirkt nach wie vor frisch und pfiffig. Gerade im Zeitalter der zwar bombastischen aber auch oft generischen Triple-AAA-Feuerwerke großer Entwickler sticht das Abenteuer dabei wohltuend hervor. Auch wenn deutlich ist, dass „Automata“ das Konzept in jeder Hinsicht weiterentwickelt hat und schlichtweg das bessere Spiel ist, bleibt der Replikant eine klare Empfehlung für Spieler, die Eigenständigkeit und Kunsthandwerk zu schätzen wissen. Und für „Automata“-Fans ist er ohnehin Pflichtprogramm.


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NieR Replicant ver.1.22474487139. Entwickler: Toylogic, Publisher: Square-Enix. 59,99€ 1 Spieler. Erschienen PS4 / Xbox One (Getestete Version: PS4, getestet auf der PS5)