NATHANAËLLE

In der dystopischen Welt von Nathanaelle ist die Menschheit in zwei Gruppen geteilt. In unterirdischen Bunkern hausen die Überlebenden einer angeblichen nuklearen Katastrophe, welche die Oberfläche unbewohnbar gemacht hat. Es gibt Fernsehen und Notrationen, das reicht den Meisten.

Überirdisch lebt eine dekadente Elite, die Unsterblichkeit dadurch erreicht hat, dass man sein Bewusstsein in andere Körper übertragen kann. Aber auch hier gibt es natürlich einige die gleicher sind als andere. Die Ärmeren müssen mit Roboterkörpern vorlieb nehmen. Diese beiden Gruppen wissen nichts voneinander, nur die Regierung kennt die ganze hässliche Wahrheit. Dieses Konstrukt beginnt allerdings zu wackeln, als Nathanaelle auftritt, deren blanke Existenz die Ordnung in frage stellt und eine Rebellion provoziert.

Autor Charles Berberian wurde 1959 in Bagdad geboren, lebt aber seit 1975 in Frankreich. Neun Jahre später beginnt er die Zusammenarbeit mit Philippe Dupuy und publiziert mit diesem über 20 Werke. Bei diesem Band wird er unterstützt von dem Zeichner Fred Beltran, der eine parallele Karriere als Musiker hat. Gemeinsam erschaffen sie ein ebenso komplexes wie beängstigendes Szenario, das optisch klar franko-belgisch geprägt ist. Die Figuren sind aber alle etwas verzerrt, die Proportionen stimmen bewusst nicht. Obwohl es sich um eine farbige Graphic Novel handelt hat der Leser oft den Eindruck einen schwarz-weißen Comic zu lesen. Alles wirkt irgendwie düster, kalt und sehr kontrastreich. Selbst warme Farben wie Rot erscheinen durch die gewählte Palette eher kalt. Optisch lassen sich Unter- und Oberwelt nur wenig unterscheiden, da in beiden Fällen die Hintergründe industriell geprägt und vom Steampunk beeinflusst scheinen.

Eine hervorragende Dystopie, die einem 1984 in nichts nachsteht. Schicht für Schicht deckt die Geschichte Missstände in beiden Gesellschaften auf, denn auch in der Oberwelt ist bei weitem nicht alles in Ordnung. Die Polizei tut praktisch was sie will, Bußgelder wandern direkt in die Taschen der Polizisten. Der grundsätzliche Level der erlaubten Gewalt wird von einer Computerstimme durchgegeben, die sich hier und da auch mal irrt. Praktisch jede dieser Zweiklassengesellschaften lässt sich wieder in mehrere Klassen unterteilen und jedes Teil wieder und so weiter. Optisch wie inhaltlich hervorragend gelungen und durch die Tatsache, dass es sich um einen Einzelband, und nicht gleich eine Reihe handelt für jeden empfehlenswert.