Karim ist ein junger Franzose nordafrikanischer Abstammung. Er ist ein Draufgänger, der gern mit seiner Vespa durch die Gegend fährt, immer einen lockeren Spruch auf den Lippen hat und Abenteuer erleben will. Alexandre ist ein zurückhaltender junger Mann italienischer Abstammung, der hilfsbereit an der Seite Karims steht. Als eines Tages Karim ausgerechnet mit der Frau des rechtsradikalen „Elan National“ im Bett erwischt wird, muss er fliehen. Denn die rechtsradikalen Schläger wollen seinen Tod.

„Autoroute du Soleil“ ist ein Roadtrip durch Frankreich. Er führt uns vom Norden Frankreichs in den Süden und wieder zurück. Quer durch die ärmeren Stadtteile lernen Karim und Alexander neue Weggefährten, Freunde und Feinde kennen. Immer wieder treffen sie dabei auf die Neonazis, vor denen sie fliehen. Durch eine Verwechslung folgen wir den beiden quer durch die französische Drogenszene und treffen auf deren Bosse, die mit den Rechtsradikalen gemeinsam auf die Jagd gehen.

Die Geschichte von Barus „Autoroute du Soleil“ aus dem Jahr 1995, die der Berliner Reprodukt-Verlag jetzt in deutscher Übersetzung neu aufgelegt hat ist mit ihren fünfzehn Kapiteln auf 432 Seiten sehr umfangreich. Die Graphic Novel, die ursprünglich für den japanischen Markt gedacht war, zeigt die Charaktere in schwarz-weißen Zeichnungen, die sowohl Manga-Anteile als auch klassich frankobelgische Panels enthalten. Die Hintergründe der Panels zeigen detailreiche Landschaften und Städte. Personen sind jedoch teilweise cartoonig reduziert und bei emotionalen Szenen auch verzerrt dargestellt. Die fratzenhaften Verzerrungen beschränken sich dabei nicht nur auf die Schurken der Geschichte, sondern auch Karim wird in leichten Strichen hässlich skizziert, wenn er homophobe, sexistische oder einfach machohafte Sprüche macht.

Hervé Barulea schildert eine rasante Achterbahnfahrt durch die französische Gesellschaft, die im durch Industrialisierung geprägten Lothringen startet. Durch die Schließung einiger Werke steigt Arbeitslosigkeit, Armut und auch der Rechtsradikalismus. Die Geschichte ist spannungsgeladen stellt die Charaktere aber eindimensional und schlicht dar. Die Rechten werden in einem typischen Neunziger-Bild mit Glatze und Springerstiefeln gezeigt, die in wenigen Halbsätzen, „Kanacken töten“. Aber auch Karim ist ein junger grober Macho, der Frauen als bloße Lustobjekte behandelt und kein Interesse daran hat, den Nazis politisch entgegen zu treten.

Aufgrund der Gewalt und expliziten Sexszenen, des nicht weiter reflektierten Sexismus und der Homophobie, ist die Graphic Novel nicht für Kinder oder wenig sensibilisierte Jugendliche zu empfehlen. Die Thematik jedoch bleibt vor allem ein Jahr vor den Wahlen 2022 in Frankreich, sehr aktuell. Auch wenn die „Front National“-Anhänger im Buch einem klassischen Klischee entsprechen, jagen auch heute noch Neonazis im ähnlichen Aufzug Menschen anderer kultureller Herkunft. Sie mögen nun Turnschuhe statt Stahlkappen tragen und statt „Ausländer raus“ vom „großen Austausch“ sprechen, doch die Jagd rechter Ideologen ist tagesaktuell. Im Postskriptum des Buches regt Alexandre bei einem Wiedersehen mit Karim an, zu einer Demo zu gehen für Menschen, denen das gleiche passiert ist. Aus dieser Irrfahrt durch ein Frankreich voller Gewalt, Drogen und Rassismus lässt sich so ein Funken von Solidarität und Mitmenschlichkeit gewinnen, der uns hoffen lässt. „Autoroute du Soleil“ ist eine Freundschaftsgeschichte, eine Landeserkundung und eine Erinnerung an die Gefahren von rechts, die gleichsam unterhält wie auch nachdenklich macht.


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AUTOROUTE DU SOLEIL, Autor & Zeichner: Baru, 432 Seiten, Hardcover, 20,00 Euro, Erschienen bei REPRODUKT