Josie ist wahrlich eine Traumfrau. Während ihr Gatte bereits mit den Anforderungen seines trivialen Jobs und mit seinem unflätigen, chauvinistischen Boss restloss überfordert ist, meistert die bildhübsche zweifache Mutter ihr Dasein als Heimchen am Herd ganz im Sinne der nur sehr langsam erwachenden Sechziger, in denen „Lady Killer“ spielt. Das schafft sie, obwohl sie heimlich, anstatt wie sie behauptet mit Tupper-Parties ihr Zubrot tatsächlich mit Auftragsmorden verdient. Nun ergeben sich zwei weitere Komplikationen für den ohnehin schon herausfordernden Alltag der tödlichen Dame. Nicht genug, dass ihre mürrische, deutsche Schwiegermutter Wind von Josies ungewöhnlicher Profession bekommen hat. Auch Cleaner Irving gibt ihr zu verstehen, dass er weiterhin mit ihr zusammenarbeiten möchte und drängt seine Dienste nun auf eine zunehmend unangenehme Art und Weise auf. Als die beiden starrsinnigen Senioren dann einander begegnen, gewinnt das Chaos im Leben der scheinbar so glücklichen Bilderbuch-Familie eine völlig neue Dimension…

„Lady Killer“ ist ein atemberaubend illustriertes Juwel von Indie-Comic, eine wundervolle Mixtur aus zynischem Feminismus-Statement und blutrünstigem Milieu-Thriller. Die jeweils wundervoll abgeschlossenen, aber dennoch sinnvoll miteinander verbundenen Handlungsbögen bieten bereits in der vorliegenden Form perfekte Drehbücher für Filme und Serien und werden im Zeitalter von Superhelden-Kino und Netflix-Produktionen sicher nicht mehr lange für das Medium unentdeckt bleiben. Neben ausdrucksstarken, toll überzeichneten und bis in die Riege der Fieslinge liebenswerten Figuren überzeugen vor allem das großartige Retro-Design und die tolle Balance zwischen Humor und Dramatik der.

Wer sich (wie der Autor dieser Zeilen) ebenfalls in die Retro-Agenten-Persiflage „Red Skin“ (auf deutsch bei Splitter) verliebt hat, der wird großen Gefallen an Josies verzweifelten Versuchen finden, die zahlreichen Leichen ihrer Opfer wortwörtlich unter den Teppich zu kehren. Dass bei dieser blutrünstigen Rahmenhandlung keine aufrichtige Emanzipationsdebatte zu erwarten ist, wird wohl jedem potentiellem Leser bereits klar sein. Trotzdem ist es herrlich, eine starke, unabhängige Frau dabei zu beobachten, wie sie ihren arglosen Partner glauben lässt, sie gehöre dem „schwachen Geschlecht an“ und sei auf ihn angewiesen. Auch wenn sie Menschen tötet. Was ja eigentlich nicht nett ist. Macht uns doch aber bei Wolverine, Punisher und Konsorten auch nichts aus. Oder?



LADY KILLER (Bd.2)
Autorin: Joelle Jones
Künstlerin: Michelle Madsen
132 Seiten
Broschiertes Softcover
16,99 Euro
ERSCHIENEN BEI PANINI