Scott und Barda sind scheinbar ein gewöhnliches Paar, das in einem stinknormalem Appartement lebt. Allerdings sind beide auch „New Gods“, eine außerirdische Spezies vom Planeten Apokolips, der vom so mächtigen wie sinistren Darkseid beherrscht wird. Dort sind sie noch immer in die permanenten kriegerischen Konflikte der Welt involviert. Als „Mister Miracle“ und „Big Barda“ genießen sie einen merkwürdigen Öffentlichkeitsstatus irgendwo zwischen Feldherr und Popstar. Die von Folter und Erniedrigung geprägte Kindheit der beiden wirft das eigentlich so glückliche Paar immer wieder in tiefe emotionale Abgründe. Können sie ihrer Vergangenheit und der manipulativen Herrschaft von Darkseid irgendwie entkommen?

Die in diesem „Megaband“ abgeschlossen vorliegende, zwölfteilige „Mister Miracle“-Serie ist in jeder Hinsicht schwere Kost. Nur mit breit und tief aufgestelltem Wissen über die Mythologie des DC-Universums ist das so deprimierende Heldenepos gänzlich zu entschlüsseln. Zumindest eine kurze Vorrecherche im Internet über Stichworte wie eben „Darkseid“, „Apokolips“ oder die „New Gods“ wird vielen Lesern einen besseren und unkomplizierteren Zugang zum komplexen Werk gewähren, als es gänzlich uninformiert möglich wäre. Alternativ kann man dem geschätzten Kollegen Emu auch in der zweiten Episode von „POW! Ein Comicpodcast!“ lauschen, der  hier sowohl das Szenario, als auch das erzählerische Umfeld mundgerecht und weitestgehend spoilerfrei serviert.

Auch mit diesem Wissen kann es noch ein wenig dauern, bis man sich in dieser gerade für überwiegende Leser von Mainstream-Comics so ungewöhnlichen wie lohnenswerten Geschichte zurechtfindet. Bis zum Bersten gefüllt mit unzähligen Meta-Anspielungen auf reale Comic-Persönlichkeiten wie Jack Kirby und Stan Lee nimmt „Mister Miracle“ seine ahnungslosen Leser mit auf eine schmerzhafte Talfahrt in die menschliche Psyche. Das bedeutet nicht, dass Autor Tom King dabei nicht auch ein gutes Gespür für feinsinnigen Humor mit exzellentem Timing hat. Tatsächlich geht es insgesamt trotz des so dramatischen Plots häufig leichtfüßiger zu, als in seiner Interpretation von Marvels „Vision“ die man gut und gerne als erzählerische Vorstufe des hier nun vorliegenden Superhelden-Familiendramas verstehen darf.

Die rauen und ausdrucksstarken Bilder von Kings Wiederholungs-Kolaborateur Mitch Gerads halten sich auf jeder einzelnen Seite ganz strikt an ein klassisches Raster, dass jedes Geschehen in neun gleich große Panels teilt. Das schafft Raum für starke, visuelle Spielereien wie Erweiterungen der Panels über den Rand hinaus, alleinstehende Texteinwürfe oder fast in den Bereich der Animation spielende Bildfolgen.

So schwer „Mister Miracle“ gerade emotionalen Familienmenschen auch im Magen liegen mag, steht überhaupt nicht zur Diskussion, dass es sich hier um einen modernen Klassiker handelt. Um Literatur, die sich im Regal neben „Watchmen“, „Maus“ oder „Sandman“ deutlich wohler fühlt als neben seinen oft doch deutlich seichteren und action-orientierteren Heldenkollegen.


MISTER MIRACLE Autor: Tom King Künstler: Mitch Gerads 308 Seiten Softcover 30,00 Euro Erschienen bei PANINI