In England wurde im Jahr 1915 die „Closing Time“ eingeführt. Um 23 Uhr mussten sämtliche Pubs schließen und die Gäste standen mit ihrem Durst auf der Straße. Das war die Geburtsstunde der „Clubs“. Diese exklusiven Räumlichkeiten ließ nur Mitglieder ein, waren dafür nicht an die unpopuläre Sperrstunde gebunden. Einer davon „Der Diogenes“, war ein wenig bekannter Ableger. Im zweiten Geschoss eines Geschäftshauses trafen sich hier die einfachen Bürger und erzählten sich Geschichten. Viele sind langweiliger Alltagskram, einige hatten es aber in sich. Da ging es um furchterregende Geschlechtskrankheiten, alte Damen, die rohes Fleisch verkosten oder Geisterhäuser, in denen Kinder verschwanden.

„Mögliche Geschichten“ ist Teil der „Neil Gaiman Bibliothek“, die nun auszugsweise vom „Dantes Verlag“ ins Deutsche übersetzt und gedruckt wird. Der Autor selbst ist Comic-Kennern vermutlich durch seine prämierte Reihe „Sandman“ ein Begriff, oder aufgrund der kürzlich beendeten „Graphic Novel“-Adaption seines Romans „American Gods“.

Die Stories in diesem Buch sind nicht der Fantasy-Literatur zuzuordnen. Stattdessen tobt der Schriftsteller sich diesmal im Bereich des Horrors aus und präsentiert Kurzgeschichten, die einem die Haare zu Berge stehen lassen. Dafür stellt er nie die komplette Welt auf den Kopf. Er sucht sich Alltagssituationen und verdreht diese so stark, bis man sich in einer verstörenden, surrealen Realität wiederfindet. Anstatt näher auf die Umstände einzugehen, lässt er dann den Leser und seine Vorstellungskraft alleine zurück. So manifestiert sich nachhaltig ein Szenario, das einen nicht so schnell wieder aus dem Kopf geht.

Ursprünglich wurden diese Erzählungen in reiner Textform veröffentlicht, bis sich Gaimans jahrelanger Weggefährte Mark Buckingham an diese Adaption setze. Der Zeichner behält dabei alle wichtigen Merkmale, wie zum Beispiel die Erzählperspektiven, bei. Durch diese Detailtreue funktionieren die gruseligen Elemente auch als Comic und zusammen mit den gedeckten Farben von Chris Blythe ergibt sich ein schönes, rundes Gesamtbild.

Wer auf subtilen Horror steht, der auch nach dem Zuklappen des Buches anhält, ist hier genau richtig. Vor allem findet sich hier ein toller Einstieg in die Arbeiten des bekannten Autors. Die Geschichten sind zwar mehr Fingerübungen als epische Erzählungen, tragen aber ganz klar die Handschrift des sympathischen Briten.


Leseprobe


MÖGLICHE GESCHICHTEN, Autoren: Neil Gaiman, Mark Buckingham, Künstler: Mark Buckingham, Chris Blythe. 84 Seiten, Hardcover, 20,00 Euro, Erschienen im DANTES VERLAG