Wie erklärt man seinen Kindern Ungerechtigkeiten? Wie spricht man die Absurdität an, dass manche Menschen glaubten das Recht zu haben einen anderen besitzen zu können und dies auch noch dem Gesetz entsprach?

Im Comicessay von Nate Powell „Save It for Later – Über Verantwortung für unsere Zukunft und die Dringlichkeit von Protest“ aus dem Hause Carlsen geht es um die Erfahrungen des Autors als Vater von zwei jungen Töchtern während der Amtszeit von Donald Trump. Powell fragt sich wie er die nationalistischen Stimmen im Land begründen kann, wobei seine Kinder nicht nur Ursachen, sondern auch Möglichkeiten aufgezeigt bekommen möchten, wie man etwas dagegen tun kann.

Save It for Later“ ist ein persönliches und politisches Zeitdokument, das 2016 mit der Wahl Donald Trumps einsetzt und bis 2020 – dem Anfangsjahr von Covid-19 – reicht. Gespräche über klare moralische Werte sind da das eine, doch wann und wie beginnt man über Widersprüche zu sprechen? Wann erklärt man, dass Polizei und „weiße Herrenmenschen“ kooperiert haben, um die ungerechten Gesetze zu stützen? Wie erläutert man seinen Kindern, dass die Polizei zwar für Sicherheit sorgen soll, aber das gerade auch dort Tyrannen und Mobber vertreten sein können.

Powell schildert hier seine Erlebnisse und Erfahrungen in einer Ära der Desinformation und Autoritarismus, Dabei wird klar, dass in einer Welt, die sich durch autoritäre Politiker, Fake-News und alternative Verschwörungserzählungen zusammensetzt, keiner allein ist.

Es beginnt am neunten November 2016: Der Tag nach der Wahl Donald Trumps. Ein Tag an dem es scheint, als wäre die Gesellschaft nun auch offiziell in Gewinner und Verlierer geteilt. Seine Töchter- aufgewachsen mit Protestbildern gegen Ungerechtigkeit und durch seine Arbeit an politischen Comics wie „March“ sind sie schon sehr früh in Berührung mit politischen Themen gekommen – sind enttäuscht, dass niemand protestiert. Der Vater beobachtet mit seinen Töchtern, wie die Tyrannen die kommenden Jahre zu ihrer Ära machen wollen. Gemeinsam gehen die beiden zu Treffen der Nachbarschaft, um nach dem Sieg Trumps zu trauern, und besuchen Demonstrationen gegen Sexismus und Rassismus. Powell findet in seinen Erzählungen Parallelen zur eigenen Jugend, deckt jedoch auch einen fundamentalen Generationenunterschied auf. Die Töchter konnten so schon mit dem Gedanken aufwachsen, dass sie Teil einer lebendigen Gesellschaft sind und diese mitgestalten können. Doch wie erklären wir unseren Kindern, dass popkulturelle Darstellungen des Bösen reale historische Hintergründe haben? Dass es wirklich Nazis gab und diese Millionen Menschen umgebracht haben. Der Autor stellt dar, wie er selbst mit dem Patriotismus, der dem Nationalismus nahesteht, hadert. Doch in einer Gesellschaft die stark gespalten ist, erkennt er, dass es eine Gesellschaft ist, die allen gehört und zu deren Werte sich alle bekennen, die auf dem Spiel steht. In der Comicszene waren die Warnzeichen so groß, dass sie jeder übersah. Besonders anschaulich und erhellend ist die Darstellung der veränderten paramilitärische Ästhetik und Stilistik, die Sprache der Gewalt normalisiert.

Powells Essayband erschreckt, deckt auf, erklärt und gibt Hoffnung zugleich. Sein Zeichenstil steht den großen Superheldencomics in nichts nach. Die Panels sind vielschichtig angeordnet, mal in den großformatigen Darstellungen über eine ganze Seite, mal folgt man der Erzählung über kleine vielfältig angeordnete Panels. Hervorzuheben ist die fantastische Kolorierung der Figuren im Comic, die jede Person in der Situation angemessenen Licht erscheinen lassen.

Inhaltlich ist der Band für Viele ein Zeichen dafür, dass man nicht allein die Sorge hat, wie es weitergehen soll und wie man diese Zustände erklären kann. . In der Form von sieben Kapiteln auf 157 Seiten bespricht der Autor viele Themen, die ihn bewegen, was stellenweise sprunghaft wirkt. dem Inhalt, vor allem im Hinblick auf die Aktualität in Gegenwart und Zukunft, wesentlich gerechter geworden. Daher lässt sich für alle politisch Interessierten dieser Comicessay empfehlen, die begreifen wollen was in den vergangenen Jahren passiert ist. Eine Empfehlung auch für alle Eltern, die nicht wissen wie sie Politisierungsprozesse ihrer Kinder aufgreifen können. Zudem ist der Essay ein Zeitdokument über die USA der Trump-Ära, der uns klar macht, wie wir uns gegen Radikalisierung wehren können.


Leseprobe


SAVE IT FOR LATER: Über Verantwortung für unsere Zukunft und die Dringlichkeit von Protest, Autor & Künstler: Nate Powell, 160 Seiten, Hardcover, 24,00 Euro, Erschienen bei CARLSEN