Selten bekommt man ins Deutsche übersetzte Comics aus dem afrikanischen Raum zu lesen. Häufig besteht unser Blick aus einer europäischen Färbung und einer recht westlichen Perspektive auf den ganzen Kontinent. In – „Lagos-Leben in Suburbia“- erzählt Elnathan John die Geschichte einer nigerianischen Familie im mittelständischen Vorort rund um die größte Stadt Nigerias. Es ist die Geschichte von Reverend Akpoborie und seiner Familie.

Sie spielt hauptsächlich in der Ajayi Crowther Street, wo sich die Nachbarschaft trifft, in die Kirche geht und sich über ihren Alltag austauscht, in dem Eheprobleme, Ärger mit den Kindern und ihre Zukunft eine Rolle spielen. Es ist aber auch ein Drama über Intrigen und Geheimnisse. Also der Stoff einer guten Daily Soap, in welcher der Schein immer mehr währt, als das Sein:  Der Sohn eines Priesters macht erste Erfahrungen damit, sich zu einem Jungen hingezogen zu fühlen. Sein Vater vertritt aber dieselbe Auffassung von gleichgeschlechtlicher Liebe, wie die nigerianische Regierung. Für beide ist sie eine Krankheit, die nun verboten werden soll.

Die Tochter versucht die Wahrheit über ihre Schwangerschaft zu verheimlichen. Doch der Vater scheint neben dem Bedrängen junger Hausangestellten noch schlimmere Geheimnisse zu verbergen.

Der 224 Seiten starke Softcover-Band ist im Avant-Verlag erschienen und wurde von Lilian Pithan übersetzt. „Lagos – Leben in Suburbia“ wird erzählt wie eine wie eine- in Nollywood sehr beliebte- Seifenoper. Wir erhalten einen Einblick in das Leben der Familie mit all ihren Facetten. Dies ist zugleich ein Vor- wie auch ein Nachteil, denn die Erzählung in der Art einer Telenovela lässt die Protagonisten recht eindimensional erscheinen und die nächsten Schritte auch vorhersehen. Blickt man jedoch über die Art der Schilderung hinweg, eröffnen die Themen des Klatsches und Tratsches der Familie einen Zugang zu den durchaus politischen Inhalten des aktuellen Nigerias: Wie gehen die Familien mit Homosexualität um, vor allem wenn Kirchenmitglieder diese durch Therapie behandeln und austreiben wollen? Wie steht es um die Religionsfreiheit in einem Land, in dem die Terrororganisation Boko Haram ganze Territorien für sich beansprucht? Fragen wie diese lassen uns in eine Gesellschaft blicken, in der sozialer Status und die zugewiesene Rolle als wichtiger gilt, als die Wahrheit, in der das Ansehen der Familie unter allen Umständen zu wahren bleibt.

Die Zeichnungen sind von  Àlàbá Ònájin. Seine Darstellung der Straßen und die der Charaktere sind in einem flächigen nicht sehr detailreichen Stil, auch wenn die Gesichtszüge und große Gestik in dramatischen Szenen dazu im Gegensatz stehen. Doch gerade die Umgebungen, Straßen und Kleidung der Region werden deutlich und ermöglichen eine Einsicht in die Lebenswelt der Familie. Abschließend lässt sich sagen, dass durch die vielfältigen Figuren und Kontraste von Alt und Jung, männlichen und weiblichen Figuren nicht nur die verschiedenen Notlagen gezeigt werden, sondern auch ein Blick auf ein Land ermöglicht wird, in dem aufgeklärte und lebensfrohe junge Menschen gegen anti-moderne konservative Weltbilder ankämpfen müssen. Daher u.a. eine Empfehlung für alle Abiturientinnen, die sich in ihren Englischkursen mit Nigeria beschäftigen.


Leseprobe


LAGOS – Leben in Suburbia, Autor: Elnathan John, Künstler: Àlàbá Ònájin, 224 Seiten, Softcover, 25,00 Euro, Erschienen bei AVANT