Auf einem bizarren, ungastlichen Planeten ist der schiffbrüchige Abram Pollux noch immer auf der Suche nach seinen Erinnerungen, nicht zuletzt um seiner Zukunft eine Richtung und einen Sinn zu geben. Während ihn einige Einheimische auf die abenteuerliche Suche nach Wrackteilen seines Schiffs begleiten, spitzt sich derweil die Situation in der Minensiedlung zu. Mehr und mehr der geheimnisvollen „Wheeler“-Kreaturen versammeln sich dort und befeuern durch ihre wortlose, gespenstische Präsenz die Panik und Gewaltbereitschaft der hier lebenden Menschen…

Drifter lebt von einem extremem Kontrast. Während es extrem schwierig ist, die kryptische, komplexe und oft kunstvoll undefinierte Handlung wiederzugeben, steht dem ein visueller Bombast gegenüber, den man in diesem Kontext kaum erwartet hätte. Nic Kleins meisterhafte Illustrationen suchen ihresgleichen, begeistern durch omnipräsenten, perfekten Umgang mit Licht und Farben und erinnern insbesondere bei der Komposition von zentralen Einzelbildern eher an klassische, eigenständige Kunstwerke, als an sequentielle Hochglanz-Unterhaltung vom Superhelden-Fließband. Und trotzdem hat der vermutlich beste deutsche Comic-Künstler ein unfehlbares Gespür für Dynamik, für die Emotionen der Figuren und für brachiale, schweißtreibende Action. War diese bis zum dritten Band noch kein zentrales Element, entfesselt „Lichterloh“ ein regelrechtes Inferno an atemberaubenden Kampfsequenzen. Ganz zu schweigen von Nic Kleins surrealen, fluoreszierenden Alien-Landschaften und -Kreaturen, die sich James Cameron einmal ganz genau vor der Produktion eines nächsten „Avatar“-Filmes anschauen sollte…

Genau diesen opulenten Wahnsinn würde man traditionell eher bei einer großen, namhaften Produktion mit etablierten Comic-Charakteren suchen. Ein Buch eben, dass die Investition in diesen offensichtlich langwierigen Arbeitsprozess auch rechtfertigt. Bei einer so feinsinnigen, indirekten, Metapher-beladene Mystery-Story wie Ivan Brandons „Drifter“ würde man aufgrund des höheren unternehmerischen Risikos und der leider potentiell deutlich kleineren Zielgruppe eher auf einen skizzenhafteren und raueren Stil zurückgreifen, der sich schneller und günstiger realisieren lässt.

Deshalb ist diese Zusammenkunft etwas so ausgesprochen Besonderes. Deshalb ist „Drifter“ konkurrenzlos brillante Comic-Kunst, die sich mit wirklich nichts vergleichen lässt. Und deshalb werden hoffentlich auch viele Leser, die sonst eher leichter Action-Unterhaltung zugewandt sind auf die wunderschönen, großformatigen Hardcover-Bände zurückgreifen. Denn so verwirrend eine Handlung auch sein mag, die den Leser zwingt sie zu erahnen und zu erfühlen, so sehr lohnt es sich auch immer wieder in ihr und ihren genialen Bildern zu verlieren. Alles was jetzt noch schief gehen kann ist, dass man den stetig wachsenden Erwartungen an die zahlreich herbeigesehnten Antworten am Ende in in bester „Lost“-Tradition nicht mehr gerecht werden kann. Aber das bekommen die Jungs sicher hin. Die sind abartig gut.



DRIFTER (Bd.3): Lichterloh
Autor: Ivan Brandon
Künstler: Nic Klein
116 Seiten
Hardcover / Limitierte Vorzugsausgabe mit Print
25,00 Euro / 35,00 Euro
ERSCHIENEN BEI CROSS CULT


„DRIFTER“-Künstler Nic Klein im Interview. Erlangen, 2016.

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