Für den schottischen Kult-Autor Mark Millar ist sicher die wichtigste Reihe seiner Karriere der zynisch-bittere Actionspaß „Kick Ass“ mitsamt der zugehörigen Ablegerserie „Hit-Girl“. Umso überraschender sind die radikalen Wandlungen, denen Millar diese wichtigen Pferde in seinem „Millarworld“-Stall unterzieht. Während die vorpubertäre Gangster-Killerin Mindy noch immer ganz „die Alte“ ist, jetzt aber quasi auf Welttournee Verbrecher unterschiedlicher Kulturen mit dem Katana filettiert, verbirgt sich hinter der „Kick Ass“-Maske nun ein ganz anderer Mensch. Kriegsveteranin Patience muss neben der Verbrechensbekämpfung nämlich auch noch ihre Familie irgendwie allein versorgen, seit ihr Mann über alle Berge ist…

Beide Serien werden heute von wechselnder, hochkarätiger Besetzung geschrieben und bebildert. „Hit-Girl“ im Kampf gegen eine brutale Mafia-Nonne weckt dabei unvermeidliche Assoziationen mit dem unterhaltsamen, zweiten Teil der bleihaltigen „John Wick“-Filmreihe, nur dass die Antihelding hier eben eine Vierzehnjährige ist, die aber kein bisschen lascher austeilt als ihr prominenter Killer-Kollege. Autor Rafael Scavone ist verantwortlich für die actionreiche, unterhaltsame aber auch unverhofft seichte Tour de Force. Nach diversen DC-Helden und der Comic-Adaption des Gaiman-Romans „Eine Studie in Smaragdgrün“ schreibt er nun eine neue Mindy-Episode, die ganz ähnlich wie die vorherigen zwei Bände vor allem eine Liebeserlärung an diverse Klassiker des Action-Kinos ist, die Charaktere aber entsprechend zweckmäßig hält, ohne an der Oberfläche zu kratzen und etwa damit zu arbeiten, dass die Hauptakteurin sich eigentlich mitten in der Pubertät befindet. Spaß macht das natürlich trotzdem und sieht dank „Huck“- und „Ei8ht“-Künstler Albuquerque auch großartig, wild und schön bunt aus.

Gleichzeitig beweist der neue „Kick-Ass“-Band aber auch, dass einschneidende Veränderungen einer etablierten Serie auch viel Potential bieten und erzählerisch ganz neue Türen öffnen können. „30 Days of Night“-Autor Steve Niles erzählt den Aufstieg von „Gangsterboss Kick Ass“ als humorbefreite, brutale und bedrückende Variante von „Breaking Bad“. Dicke Markerstriche und knallige Farben sorgen für einen zwar gefälligen, aber erfreulich eigenständig-rotzigen Look fernab vom Mainstream-Hochglanz.

Man darf gespannt sein, was die handverlesenen Kreativ-Teams in Zukunft noch aus den Flaggschiff-Franchises des schottischen Comic-Wunders Millar so herauskitzeln. Bislang steht „Hit-Girl“ aber eher für immer unkomplizierteren Action-Spaß, während „Kick-Ass“ den komplexeren Ansatz der Vorgängerserie verfolgt und dabei dramatischer, düsterer und sozialkritischer ist. Beides Konzepte, die sicher ihr Publikum finden.


KICK ASS: Frauenpower (Bd.2), Autor: Steve Niles, Künstler: Marcelo Frusin, 156 Seiten, Softcover, 20,00 Euro, Erschienen bei PANINI

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HIT-GIRL IN ROM, Autor: Rafael Scavone, Autor & Künstler: Rafael Albuquerque, 100 Seiten, Softcover, 12,99 Euro, Erschienen bei PANINI

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