BREATHTAKER GESAMTAUSGABE

Die schöne Chase ist auf der Flucht vor der Staatsgewalt. Sie soll Schuld sein am Tod ihres letzten Geliebten. Und das ist sie tatsächlich, wenn auch nicht mit Absicht. Wer Chase verfällt, der will ihr nah sein. Und je näher man ihr kommt, umso mehr Lebensenergie kostet diese Nähe den zumindest zeitweise glücklichen Romeo. Ob sie will oder nicht – Schläft Chase mit einem Mann oder küsst ihn nur innig, dann entzieht sie ihm die Jugend, die Kraft, die Energie und versorgt sich selbst damit, kommt wieder zu Kräften und verjüngt sich. Um der gefährlichen Dame nun habhaft zu werden, setzt man auf „The Man“, seinerseits der einzige Superheld der Welt, der sich vor allem durch tumbes Macho-Gehabe, unangemessene Brutalität und ein absolut unberechenbares Temperament einen zweifelhaften Ruf erarbeitet hat.

„Breathtaker“ ist vor allem ein extrem eigenwilliges Comic-Vergnügen, dass sich kaum mit anderen Stories vergleichen lässt. Im Kern eine temporeiche Spionagestory mit einer tragischen „Femme Fatal“, versprüht die genrekritische Superhelden-Persiflage einen ganz besonderen, melancholischen Charme und überzeugt durch harte Kontraste. Die grellbunten, von Popart und Graffiti inspirierten Bilder von Marc Hampel mögen bei schneller Durchsicht einen anderen Eindruck erzeugen, aber die großen Moment in „Breathtaker“ sind eigentlich die ruhigen, selbstreflektierten Momente der tragischen Antiheldin und ihres zunächst einfach nur abstoßenden Verfolgers. Die vielschichtigen Charaktere locken uns mit etablierten Stereotypen an, lassen sich von uns verurteilen und überraschen und beschämen uns gleich darauf mit den komplexen Schicksalen, die sich dahinter verbergen. Das wird gleich zu Beginn deutlich, als Chase sich von einem schmierigem, anzüglichem Trucker aufgabeln lässt, um den es wohl kaum schade wäre. Als dessen Fassade schnell bröckelt und dahinter ein liebevoller Familienvater zum Vorschein kommt, der sie trotz seiner stumpfen Anmache respektvoll und freundlich behandelt, ist genau das einer dieser großen Momente.

Nicht jeder Leser wird mit dieser wilden Mischung etwas anfangen können, aber wer sich dem abgeschlossenen Hardcover-Band unbefangen nähert, der wird sich auf jeden Fall nicht darüber beklagen können, all das schon tausend mal gehört, gesehen oder gelesen zu haben, was auf den psychedlisch-grellen Seiten von „Breathtaker“ passiert. Und wenn sogar Meistererzähler Neil Gaiman im Vorwort betont, wie besonders und herausragend eine Geschichte inszeniert ist, wer bin ich dann, ihm zu widersprechen?