Dante leidet Qualen, da seine geliebte Beatrice viel zu früh verstarb. Gemeinsam mit dem Dichter Vergil reist er durch die neun Kreise der Hölle, um seine Frau im Himmel zu finden. Gemeinsam durchwandern die Beiden die Schrecken des Jenseits und begegnen vielen historischen Personen und mystischen Kreaturen. An all diesen gilt es vorbeizukommen. Mal mit Wortgewandheit, mal mit List. Oder einfach die Beine in die Hand nehmen. Öfters wankt Dante und Vergil muss ihn auf den rechten Pfad zurück bringen. Am Ende des Weges wartet jedoch der erhoffte Preis, die Umarmung der ersehnten Beatrice.

Die Göttliche Komödie – oder auch nur einen Teil – in die Form einer Graphic Novel umzuschmieden scheint auf den ersten Blick ein Ding der Unmöglichkeit. Ähnlich wie „Der Herr der Ringe“ lange Zeit als unverfilmbar galt und Regisseur Peter Jackson dann 2001 die Kritiker Lügen strafte, gelingt nun den Brüdern Brizzi eine mehr als ansehnliche Umsetzung des Jahrhunderte alten Werkes. Das „Inferno“ aus der Feder von Dante Alighieri erblickte 1320 das Licht der Welt und sollte seit daher die Referenz für das Jenseits sein. Dante schreibt seine 24 Gesänge in der Ich-Form, als Autobiografie, wie er selbst in Begleitung des Dichters Vergil (70 vor Christus bis 19 vor Christus) erst die Hölle, dann das Fegefeuer, dann das Paradies durchstreift um seine Geliebte zu finden. Der erste Band der Komödie – Inferno – soll die Blaupause für die Hölle werden, unterteilt in neun Kreise, in jedem eine andere Form von Sündern.  Der zweite Kreis zum Beispiel hält die Sünder aus Liebesleidenschaften, z.B. Kleopatra, Helena, Paris oder Tristan. Der neunte und finale Kreis hält die Verräter, unter anderem Judas, Brutus und natürlich Luzifer selbst. Nach Dantes Vorstellung hat die Hölle die Form eines riesigen Amphitheaters, entstanden durch den Fall Luzifers. Auch hier schafft der Autor eine von da an geltende „Wahrheit“. Die Bibel als einziges Referenzwerk des Christentums ist mit der Beschreibung des Teufels oder der Hölle nämlich recht sparsam und lässt alles etwas nebulös. Dante erschafft in seinem Werk eine wirklich detaillierte Beschreibung der Hölle und ihrer Kreise, diese wird so deutlich realer. Auch der Kniff, dem Protagonisten einen Gefährten zur Seite zu stellen, mit dem er das Erlebte verbalisieren kann anstatt alles im inneren Monolog zu verarbeiten, har Schule gemacht. Neil Gaimans „Coraline“ zum Beispiel hat zu genau diesem Zweck „die Katze“, die keinen Namen braucht und die Protagonistin durch das Anderswo führt.

Immer wieder sollen Dante und Vergil wichtige Persönlichkeiten der Antike oder mythologische Kreaturen wie den Minotaurus treffen. Mit Vergil hat Dante einen sehr ortskundigen Führer an seiner Seite, der genau weiß, wie mit den Hindernissen umzugehen ist. Manche lassen sich überreden, anderen muss Dante einfach ausweichen, da sie „von Worten unbeeindruckt“ sind.

Diesem monolithischen Werk gegenüber sahen sich also die Brüder Paul und Gaëtan Brizzi, als Olivier Souillé die Idee einer Graphic Novel an sie herantrug. Die Idee gefiel ihnen, aber sie baten erstmal um Bedenkzeit, schließlich ist die „Divina Commedia“ ein wahres Mammutwerk. Schnell war klar, dass es eine Art Hybrid aus Bildband und Comic werden musste, viele Seiten kommen daher mit wenig oder gar keinem Text aus. Dafür hat man natürlich Platz für die wirklich atemberaubenden Illustrationen, das Cover verspricht hier nicht Zuviel . Die Bleistiftzeichnungen sind dermaßen detailreich und verschieden stark schattiert, dass sie wie eine Mischung aus Fotorealismus und klassischen Gemälden wirken. Viele der ganzseitigen Illustrationen würden wunderbar als Poster oder Plattencover funktionieren.

Der vorliegende Band ist sehr nah an der Vorlage, manche Textpassagen sind eindeutig (leicht modernisiert) dem Original entnommen. Der Titel „Inferno“ lässt zwar vermuten, dass wie bei Alighieri zwei weitere Bände – Fegefeuer und Paradies – folgen könnten, dem ist allerdings nicht so. Zwar fokussieren die Autoren sich hier sehr stark auf den ersten Teil der Göttlichen Komödie, Fegefeuer und Paradies werden jedoch stark verkürzt wiedergegeben, sodass die Geschichte hiermit abgeschlossen ist. Eine absolute Empfehlung für Freunde der Thematik oder auch jeden, der sich vom Cover angesprochen fühlt.


Leseprobe


DANTES INFERNO, Autoren und Künstler: Paul & Gaëtan Brizzi, 152 Seiten Hardcover, 39,80 EURO, erschienen im Splitter Verlag