Graf Dracula ist wirklich, wirklich wütend. Dank einer Bande dreister und lebensmüder Diebe rund um Con-Artist Finnagan hat sich sein elitäres Blutsauger-Bankett in rasender Geschwindigkeit in einen chaotischen Albtraum mitsamt brennenden Kollegen, bröckelndem Schloss und rätselhaft entwendetem Vampir-Schatz verwandelt. Nach so langer Zeit, nach so viel minutiöser Vorarbeit konnte das Ganoven-Ensemble tatsächlich die Reichtümer des legendären Fürsten der Finsternis erbeuten. Nur wie schaffen sie es jetzt zurück nach Hause, ohne von den untoten Heerscharen in Stücke gerissen zu werden?

Stephan Francks ambitioniert-versponnener Genre-Mix liefert mit seinem Finale vor allem handfeste, unterhaltsame und für die Reihe ungewohnt rasant inszenierte Action. Leider bleibt erneut kaum Zeit für die stimmungsvollen Dialogszenen und den charakteristischen Heist-Humor, der „Silver“ in den ersten beiden Bänden so unverwechselbar und besonders machte.

Selbstverständlich sitzt nach wie vor jeder einzelne von Francks sehr cleanen Strichen perfekt, wirkt auch das Finale von „Silver“ sehr elegant und professionell. Im Grunde wirken die nun abgeschlossenen vier Bände etwa so, als hätte Hellboy-Schöpfer Mike Mignola ein Crossover aus Bram Stokers „Dracula“ und dem Filmklassiker „Der Clou“ erschaffen. Das allein wird viele Comic-Freunde zurecht aufhorchen lassen, denn eine derartig skurrile Kombination begegnet selbst vom Bizarren verwöhnte Leser nicht jeden Tag.

Bei aller Freude über die Qualitäten der Reihe, über eindrucksvolle Bildwelten und solide erzählte Charaktere drängt sich aber der Eindruck auf, das aus mehr Bekenntnis zu den ungewöhnlichen Aspekten des Vampir-Szenarios auch ein deutlich nachhaltigeres und exklusiveres Comic-Vergnügen entstanden wäre. So erhalten alle Fans klassischer Gruselszenarien, eleganter Aufbereitungen trashiger Monster-Motive nach Mignola-Art eben schmackhaftes neues Futter. Das ist ja nun nichts, worüber man traurig sein müsste. Vielleicht traut sich Stephan Franck mit einer angedachten Fortsetzung etwas weiter aus der Sicherheit etablierter Erzählstrukturen hervor. Das Zeug dazu haben er als Künstler, seine Figuren und seine Vampirwelt auf jeden Fall.


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SILVER (Bd.4): Tag des Zorns, Autor & Künstler: Stephan Franck, 152 Seiten, broschiertes Softcover, 16,95 Euro, Erschienen bei SCHREIBER & LESER