Der verlogene Gauner Don Pablos aus Sevilla hat ein echtes Problem. Er ist in die Gewalt eines äußerst schlecht gelaunten Kolonial-Kommandanten geraten, der wild entschlossen ist verwertbare Informationen aus seinem Gefangenen herauszufoltern. Das gestaltet sich aber gar nicht so leicht, wie zunächst vermutet- Zwar singt Pablos wie ein Vögelchen, welche seiner abenteuerlichen, immer wieder inhaltliche Haken schlagenden Geschichten von Schiffbruch, Eingeborenen-Stämmen und natürlich vom legendären El Dorado der Wahrheit entsprechen, das lässt sich kaum feststellen…

„Der große Indienschwindel“ heißt nicht nur so, er ist auch wirklich ganz schön groß. Im stattlichen Überformat von 25 x 35 cm überragt der edle Comic-Schinken seine schon nicht grad spartanisch aufgestellten Geschwister aus dem Splitter-Verlag deutlich und passt so nicht mehr aufrecht in eines des weit verbreiteten Expedit-Regale eines bekannten Möbeldiscounters. Den Preis bezahlt der Comic-Enthusiast von Welt natürlich gern für so ein stattliches Schmuckstück, vor allem wenn der Inhalt von niemand geringerem als Blacksad-Künstler Juanjo Guarnido gestaltet wurde. Auch wenn in diesem Rahmen häufig in blumiger Sprache von tollen Künstlern geschwärmt wird – Guarnido erreicht eine Perfektion, eine Lebendigkeit seiner Figuren und Szenerien, die selbst verwöhnten Comic-Rezensenten vor Begeisterung den Mund offen stehen lässt. Aber auch Texter Ayroles ist kein unbeschriebenes Blatt und konnte das Publikum mit seinem gewitzem Märchen „Garulfo“ und dem auf deutsch bei Finix erscheinendem „Mit Mantel und Degen“ einen Namen machen.

Vielleicht sollten die beiden fortan häufiger gemeinsame Sache machen, denn „Der große Indienschwindel“ ist witzig, interessant, spannend und augenscheinlich wunderschön. Stören kann man sich höchstens daran, dass die vielen aufschlussreichen Informationen zur Kolonialzeit immer mühsam abgeglichen werden müssen, da man nie weiß wieviel Pablos an den zunächst historisch anmutenden Fakten wohl manipuliert hat. Diese Schnitzeljagd kann man aber auch als Herausforderung sehen und als gute und in diesen Zeiten absolut notwendige Gelegenheit die eigene Medienkompetenz zu schulen und zu festigen.

Dann wäre da aber auch noch Option drei, bei der man sich überhaupt nicht darum schert, wieviel Wahrheit, wieviel historische Information im übergroßen Comic-Hardcover steckt. Die pfiffigen Wendungen innerhalb des spitzbübischen Reisejournals, die vielen witzigen visuellen Details und riesige Landschaftsbilder werden auch die Leser zu begeistern wissen, die sich einfach nur zurücklehnen und unterhalten lassen möchten. Bravo.


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DER GROSSE INDIENSCHWINDEL, Autor: Alain Ayroles, Künstler: Juanjo Guarnido, 160 Seiten, Hardcover, 35,00 Euro, Erschienen bei SPLITTER