Düster und von Gewalt geprägt ist das Leben der vollbusigen Ilona, muss sie doch ihren Körper verkaufen um sich und ihre kranke Mutter über Wasser zu halten. Einen Vater gibt es nicht mehr und die anderen Dorfbewohner begegnen ihr mit Scham oder unverhülltem Hass. Ihr einziger Freund ist der Schweinehirt Marek, der ihr ohne Hintergedanken hilft. Als sich dann jedoch ihre Puppe – ein Geschenk des Bäckers – als „Suspiria aus dem Reich der Finsternis“ entpuppt erhält das Leben der jungen Prostituierten einen dramatischen Wendepunkt. Die Hexe Suspiria wirkt ihren Einfluss auf die gepeinigte Protagonistin und zeigt ihr auf, dass es eine Alternative zum stoischen Ertragen geben kann.

Bei dem Namen „Suspiria“ mag es bei dem ein oder anderen Klingeln, gab es doch bereits 1977 einen bekannten, gleichnamigen Horrorfilm aus der Feder des Altmeisters Dario Argento. Oder man denkt an das Remake von Luca Guadagnino aus dem Jahr 2018. Beide Filme werden wohl Einfluss auf den Autor Luca Lara Montagliani, den Autor dieses Werkes, gehabt haben, düster und imposant wirkt die Figur der Suspiria, ähnlich wie in den Filmen. Abgesehen vom Titel gibt es allerdings wenig Parallelen oder Verbindungen. Gibt man sich etwas Mühe kann man bei einem Ausflug Suspirias in den „Abgrund“ ihre drei Schwestern als die drei Hexen aus Argentos Geschichte identifizieren, okkulte Rituale sucht man allerdings vergeblich. Brillant und auf den Punkt sind die Zeichnungen von Andrea Bulgarelli, alles wirkt äußerst lebendig, trotz, oder vielleicht gerade wegen der schwarz-weißen Farbwahl. Alles sehr schön verpackt in einem geprägten schwarzen Hardcover und sepia-farbenem Schutzumschlag mit dem Cover aus der Feder von Horley, abgerundet mit einem beiliegenden Poster.

Für den ein oder anderen mag die sehr explizite Darstellung von Gewalt und nacktem Fleisch das Erträgliche deutlich übersteigen; die ersten paar Seiten fragt man sich wo das alles hinführen soll.

Heraus kommt allerdings eine sehr interessante Mischung aus Kult-Horrorfilmen à la Braindead,  italienischen Sexploitation-Filmen der 70er, griechischer Tragödie und einer ordentlichen Portion Gesellschaftskritik. Die Autoren legen ihren Finger schnell in die offene Wunde, die die Frage aufwirft, wie wir mit den nicht so glücklichen oder gutbetuchten Individuen unserer Gesellschaft umgehen, deren instabile Situation so manch einer sogar auszunutzen weiß.

Bei dem Hinweis „18+, nur für Erwachsene“ hat sich der „Insektenhaus“-Verlag durchaus etwas gedacht, in den Händen von Kindern ist dieses Werk absolut unangebracht und auch so mancher Erwachsene wird vor den expliziten Darstellungen wohl zurückschrecken. Inhaltlich und optisch ist es allerdings mehr als empfehlenswert.


SUSPIRIA AUS DEM REICH DER FINSTERNIS: Der kleine Tod, Autor: Luca Lara Montagliani, Künstler: Andrea Bulgarelli, 120 Seiten, Hardcover, 19,95 Euro, Erschienen bei INSEKTENHAUS