Obwohl Asp bereits vor vielen Jahren gemeinsam mit seinem Schulfreund Timo Wuerz Comic-Geschichten wie „Lula & Yankee“ zu Papier brachte, kennt man ihn heute vor allem für die düsteren, intelligenten und extrem atmosphärischen Konzeptalben seiner Band ASP. Für die erweiterte Neuveröffentlichung der sozialkritischen „Geisterfahrer“-Platte spendieren die Wiederholungstäter der limitierten Sonderedition des Albums eine 48 Seiten starke Comic-Geschichte namens „Insel in Nebel“, die komplett wahnsinniger Weise in nur zwei Wochen entstand. Selbst für den wandelnden Farbdrucker Wuerz dürfte das ein neuer Rekord sein.

Ein faltiges, zusammengekauertes und nur in einen Umhang gehülltes Wesen entführt uns in eine bizarre Bilderwelt, stets auf der Suche nach Antworten auf abertausend Fragen und Wahrheiten, vielleicht sogar nach dem so oft hinterfragtem Sinn des Lebens. Dabei blickt es immer weiter zurück in die eigene, vor Wortbildern strotzende Historie und natürlich auch in die der Menschheit. Dabei offenbart es dem Leser immer neue Fragen in dieser Vergangenheit, die allesamt aufgeworfen, aber nie wirklich beantwortet worden sind…


geisterfahrer_mini2Wie Asps gewohnt stimmungsvoll chiffrierte Texte geben auch die Bilder von Comic-Rebel Timo Wuerz dabei weniger eine zusammenhängende Handlung, eine strikte Sequenz wieder, als mehr ein Mosaik von Stimmungen, Gedanken und vor allem natürlich Fragen nach zwischenmenschlichen, politischen oder selbst banal-alltäglichen Angelegenheiten. Daraus setzt sich aber schon bald ein Mosaik zusammen, dass den Sinn hinter dem zugrundeliegenden Liedtext von „Abertausend Fragen“ perfekt auf den Punkt bringt. Zunehmendes Lebensalter und wachsende Weisheit bringen keinen Menschen der einen, finalen und heilsbringenden Antwort näher. Sie lichten nicht das pubertäre Chaos der Unwissenheit, sondern bringen immer neue Zweifel und Aufgaben mit sich.

Auch wenn die tiefgehende Kenntnis der Mythologie um die mehr als 15 Jahre umfassende Diskografie der Band dabei hilft, zahlreiche Anspielungen und Querverweise zu erkennen funktioniert „Insel in Nebel“ auch ganz hervorragend für sich allein oder am Besten gleich im Zusammenhang mit dem auf dem Album enthaltenem Song. Hat man den nämlich bei der ersten Lektüre im Ohr, wird man unweigerlich über eine neue Textanordnung stolpern und über ein zunächst vermeintlich in Trümmern liegendes Metrum. Wird einem gegen Ende der kleinen Graphic Novel dann bewusst, in welcher Reihenfolge die Seiten tatsächlich zu lesen sind, dann offenbart sich die künstlerische Finesse des „Buchs im Buch zur CD“. Denn egal ob ich am Ende oder am Anfang meines Lebens stehe, ich werde eine neue, veränderte Perspektive auf die abertausend Fragen haben, die ich mir gestellt habe oder noch stellen werde. Aber sie werden noch immer da sein.

Weder „Insel in Nebel“, noch das großartige und intelligente „Geisterfahrer“-Album oder das Gesamtkunstwerk ASP dienen der simplen Unterhaltung. Trotz aller handwerklichen Anmut, egal ob akustisch oder visuell bleibt der Zugang komplex und wird auch bei eingehender Analyse und Interpretation keine finalen Antworten auf die abertausend aufgeworfenen Fragen bieten, wie auch das Leben selbst. Wer sich statt zu konsumieren gern mit Musik, Texten und Bildern beschäftigt, bekommt diese hier mit viel Hingabe dargeboten. Um das wertzuschätzen muss man überhaupt keinen Zugang zu Metal oder zur Gothic-Szene haben. Ein Faible für gute Geschichten und gleichermaßen anspruchsvolle und ansprechende Kunst reichen völlig aus, um sich in dieses aufwändige (und limitierte) Gesamtkunstwerk zu verlieben. Wer es bequem mag kann sich ein Exemplar beim großen Online-Versandhaus sichern. Wer die Band ganz direkt unterstützen möchte, der besorgt sich „Geisterfahrer“ gleich im offiziellem Shop.

Asp Spreng, Timo Wuerz: Insel in Nebel (Enthalten in der L.E. von „Geisterfahrer). 48 Seiten (112 insgesamt) + 2 CDs. 29,95€

Auszug aus „Abertausend Fragen“, die Textgrundlage für „Insel in Nebel“:

https://www.youtube.com/watch?v=6WtyIK-jxHI